Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Soweit nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind (BFHUrteil vom 12.5.2011 VI R 42/10), beschränkt sich die Abzugsfähigkeit auf die Prozesskosten im engeren Sinne. Darunter fallen Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten, die Vergütungsansprüche des eigenen Prozessbevollmächtigten sowie der Kostenerstattungsanspruch des Gegners.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Streitjahr(e)
2007, 2008
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Kosten, die den Klägern wegen der Durchführung von Rechtsstreitigkeiten und anderen juristischen Angelegenheiten entstanden sind, als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuerkennen sind.
Die Kläger sind Eheleuten und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitaleinkünfte und sonstige Einkünfte. Zudem erzielte der Kläger zu 1. Verluste aus Vermietung und Verpachtung.
Die Kläger sind miteinander in jeweils zweiter Ehe verheiratet. Beide machten in den Streitjahren 2007 und 2008 Aufwendungen wegen diverser Rechtsangelegenheiten geltend. Den Streitigkeiten lagen folgende Sachverhalte zu Grunde:
1. Sachverhaltskomplex: Kindesunterhalt
Die Klägerin zu 2. hat mit ihrem Mann aus erster Ehe einen gemeinsamen Sohn. Da der Vater des Kindes nicht bereit war, Unterhalt zu leisten, strengte die Klägerin zu 2. einen Rechtsstreit beim Amtsgericht (AG) - Familiengericht - (Aktenzeichen – Az –) über die Höhe des Kindesunterhalts gegen ihn an. In zweiter Instanz entschied das Oberlandesgericht (OLG) (Az , Urteil vom ). Erst nachdem das gerichtliche Urteil vorlag, kam der Vater seiner Zahlungsverpflichtung nach.
2. Sachverhaltskomplex: nachehelicher Unterhalt
Dem Kläger zu 1. entstanden Prozesskosten im Rahmen eines von ihm gegen seine geschiedene Ehefrau geführten Unterhaltsverfahrens. Ziel dieses Verfahrens war eine Reduzierung des von ihm zu leistenden nachehelichen Unterhalts. Es handelt sich dabei um die Verfahren vor dem AG – Familiengericht - (Az ; Urteil vom ) und vor dem OLG (Az ; Urteil vom ).
3. Sachverhaltskomplex: Aufenthaltsbestimmungsrecht und Besuchsrecht hinsichtlich der Tochter des Klägers zu 1.
Es handelt sich hierbei um das Verfahren vor dem AG wegen elterlicher Sorge mit dem Az . Dieses Verfahren endete mit einer Vereinbarung über die künftige Ausgestaltung des Umgangsrechts.
4. Sachverhaltskomplex: Verfahren hinsichtlich der Anlage U 2006
Die geschiedene Ehefrau des Klägers zu 1. hatte sich geweigert, die Anlage U zu unterzeichnen. Sie hatte die Anlage eigenmächtig abgeändert und den Höchstbetrag von 13.805 Euro auf 11.926 Euro reduziert. Mit Anwaltsschreiben vom 27. September 2007 wurde die geschiedene Ehefrau erfolgreich aufgefordert, die Anlage U für das Jahr 2006 mit ungekürztem Höchstbetrag zu unterzeichnen.
Mit Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger Aufwendungen von insgesamt 3.972,91 Euro geltend und reichten folgende Aufstellung ein:
Pos. (FG) |
wer |
Verwendung |
Betrag in Euro |
1 |
Klägerin zu 2. (BT) |
RA A; Kindesunterhalt |
223,76 |
2 |
BT |
RA A; Kindesunterhalt |
27,14 |
3 |
BT |
Gerichtskasse ; Kindesunterhalt |
510,85 |
4 |
BT |
RAe B, Schadenersatz |
448,47 |
5 |
BT |
Rechnung Anwalt zum Gerichtstermin |
54,22 |
6 |
Kläger zu 1. (JT) |
RA A; Aufenthaltsbestimmung |
316,18 |
7 |
JT |
RA A; Aufenthaltsbestimmung |
494,80 |
8 |
JT |
RA A; Scheidungsunterhalt |
1.494,52 |
9 |
JT |
RA A; Besuchsrecht |
120,66 |
10 |
|
Kopierkosten (Abrechnung auf Karte) |
20,00 |
11 |
|
Büro-/Schreibmaterial |
43,41 |
12 |
|
Portogebühren |
85,90 |
|
|
Zwischensumme |
3.839,91 |
juristisch bedingte Fahrtkosten:
Pos. (FG) |
wer |
Verwendung |
Betrag in Euro |
13 |
BT |
RA C |
6,90 |
14 |
BT |
RA C |
6,90 |
15 |
BT |
RA A, |
5,70 |
16 |
|
RA A, |
5,70 |
17 |
BT |
RA C |
6,90 |
18 |
JT |
Jugendamt in |
11,40 |
19 |
JT |
RA A, |
5,70 |
20 |
BT |
OLG |
12,90 |
21 |
BT |
RA C |
6,90 |
22 |
JT |
RA A, |
5,70 |
23 |
JT |
Amtsgericht |
11,70 |
24 |
BT |
RA C |
6,90 |
25 |
BT |
OLG t |
12,90 |
26 |
JT |
RA A, |
5,70 |
27 |
JT |
Caritas (Gerichtsauflage) |
11,70 |
28 |
JT |
Caritas (Gerichtsauflage) |
11,70 |
29 |
JT |
RA A, |
5,70 |
30 |
JT |
Amtsgericht |
11,70 |
31 |
JT |
Caritas (Gerichtsauflage) |
11,70 |
32 |
JT |
Amtsgericht |
11,70 |
33 |
JT |
Amtsgericht |
11,70 |
34 |
JT |
Amtsgericht |
11,70 |
35 |
BT |
RA C |
6,90 |
36 |
Bt/JT |
Parkgebühren |
13,00 |
|
|
Zwischensumme |
133,00 (FG: 219,40) |
Mit Schreiben vom 3. September 2008 vertraten die Kläger die Auffassung, dass die von ihnen geltend gemachten Kosten unmittelbare und unvermeidliche Kosten der von ihnen geführten Scheidungsprozesse seien. Ihrer Ansicht nach sei ein Bezug auf die Scheidungsurteile vorhanden. Die daraus resultierenden Kosten seien damit zwangsläufig, woraus im Ergebnis die Berechtigung zum Abzug als Sonderausgaben folge.
Der Beklagte erließ am 19. September 2008 einen nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) te...