rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung für das Vorverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Auch ein rechtlich nicht ausgebildeter Laie handelt grob fahrlässig, wenn er eine eindeutig und unmißverständlich gestellte Frage nicht beantwortet.
- Die Sorgfaltspflicht in eigener Sache besteht für einen der Sprache Unkundigen darin, sich eine Übersetzung der ihm zugehenden amtlichen Antragsvordrucke zu verschaffen und dann entsprechend zu reagieren.
- Der Widerspruchsführer trägt, wenn bisher unterbliebene Mitwirkungshandlungen in einem Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt werden, bei einem für ihn günstigen Ergebnis des Verfahrens dessen Kosten regelmäßig selbst (§ 77 Absatz 1 Satz 4 EStG).
- Im Gegensatz zu § 80 VwVfG, betrifft § 77 Absatz 1 Satz 4 EStG nicht nur einzelne, selbständig ausscheidbare Aufwendungen, die im Widerspruchsverfahren entstanden sind, sondern bezieht sich in Anlehnung an § 137 Satz 1 FGO auf dessen Kosten im Allgemeinen.
Normenkette
EStG § 77 Abs. 1 S. 4; FGO § 137 S. 1
Streitjahr(e)
1998
Tatbestand
Der Kläger stellte im Dezember 1998 einen Antrag auf Kindergeld. In dem dem Antrag beigefügten Vordruck KG 366/419 beantwortete er die dort gestellte Frage, ob ein Asylantrag gestellt ist, mit "ja 16.05.1997". An diese Frage anschließend findet sich im Vordruck folgender Text: "Sofern eine Entscheidung bereits ergangen ist, bitte Bescheid vorlegen".
Die Familienkasse sah die Voraussetzungen der Kindergeldgewährung nach den vorgelegten Unterlagen nicht als gegeben an. Sie lehnte den Antrag auf Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 28. Dezember 1998 ab.
Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozeßbevollmächtigten, Widerspruch ein. Später überreichte der Kläger der Beklagten eine Abschlußmitteilung vom 5. Mai 1997 für das Asylverfahren. Danach war mit Bescheid vom 13.03.1997 festgestellt worden, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) vorlagen. Nunmehr setzte die beklagte Familienkasse antragsgemäß Kindergeld fest. Sie lehnte es aber ab, die Kosten des Einspruchsverfahrens zu erstatten. Die Aufwendungen seien nicht notwendig gewesen.
Nach erfolglosem Einspruch trägt der Kläger im Klageverfahren vor, er sei Ausländer mit mangelnden Sprach- und Rechtskenntnissen. Deshalb habe er sich an einen rechtskundigen Bevollmächtigten wenden müssen. Die Beklagte habe sich geweigert, seine Angaben zur Kenntnis zu nehmen. Er habe ausdrücklich die Frage nach einem Asylverfahren mit "ja" beantwortet. Die Sachbehandlung der Behörde sei evident unrichtig.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 9.3.1999 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18.5.1999 festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 28.12.1998 zu erstatten und insoweit die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist unter Hinweis auf ihre Einspruchsentscheidung der Auffassung, die Aufwendungen seien nicht notwendig gewesen, da es nur der Vorlage des Nachweises über den Abschluß des Asylverfahrens bedurft hätte. Im übrigen habe der Kläger die im Asylverfahren getroffene Entscheidung nicht im vorangegangenen Verwaltungsverfahren vorgelegt, so daß die Aufwendungen des Einspruchsverfahrens vermeidbar gewesen und vom ihm verschuldet worden seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die im Klageverfahren eingegangenen Schriftsätze des Klägers verwiesen. Dem Senat lag die den Streitfall betreffende Kindergeldakte vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der für seinen Einspruch gegen den Bescheid vom 28. Dezember 1998 entstandenen Kosten nicht zu.
1. Nach § 77 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat die Familienkasse dem Einspruchsführer bei erfolgreichem Einspruch gegen die Kindergeldfestset-zung -- eine Abgabenangelegenheit i.S. von § 347 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Abgabenordnung (AO) -- die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren oder Auslagen eines Bevollmächtigten sind nach Abs. 2 der Vorschrift erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig war. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen, § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG. Diese Ausnahmeregelung in einem Steuergesetz - im Einspruchsverfahren nach der AO erhält der obsiegende Steuerpflichtige keinen Ersatz der Kosten - ist nach der Gesetzesbegründung im Hinblick auf die entsprechende Vorschrift des § 63 SGB X eingefügt worden, damit eine Schlechterstellung der Kindergeldberechtigten gegenüber dem bisherigen Recht vermieden wird (BT-Drs. 13/1558, S. 162).
a) Der Einspruch des Klägers war zwar erfolgreich, da ihm mit Bescheid vom 9. März 1999 abgeholfen wurden. Die Aufwendungen des Klägers für das Einspruchsverfahren (hier insbesondere in Form von Rechtsanwaltsgebühren und -auslagen) waren jedoch ...