Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreiben eines Übersiedlerwohnheims als Gewerbebetrieb
Leitsatz (redaktionell)
- Wird als Inhaltsadressat eines Steuerbescheids neben dem Steuerschuldner eine weitere Person benannt, führt dies zur Unwirksamkeit des Bescheides.
- Gegen einen wegen falscher Empfängerbenennung unwirksamen Steuerbescheids, der durch eine Einspruchsentscheidung, die den richtigen Empfänger benennt, erstmalig wirksam wird, ist trotz § 44 FGO eine Klage zulässig.
- Eine für die Qualifizierung als Gewerbebetrieb notwendige Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger ein Wohnheim mit mehreren Wohneinheiten an nur einen Mieter vermietet und in Ausführung des Vertrages mit Dritten in Geschäftsverbindung tritt.
- Eine als Gewerbebetrieb zu qualifizierende Beherbergungstätigkeit liegt vor, wenn die Klägerin aufgrund der von ihr eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Bündel von Leistungen schuldet, bei denen die Beherbergung und Betreuung der Unterzubringenden im Vordergrund steht und die Zurverfügungstellung von Wohnraum nur eine von vielen Plichten ist, nicht aber die die Art der Einkünfte prägende Hauptpflicht.
- Die Vereinbarung eines Entgelts, das sich pro Person und Anwesenheitstag bemisst und sich nicht in der für die Vermietung und Verpachtung üblichen Weise an Merkmalen der zur Nutzung überlassenen Räumlichkeiten – wie z.B. Größe, Lage, Zustand des Objekts zur Berechnung der Quadratmetermiete – orientiert, indiziert ebenso wie die gegenüber einer Vermietung erheblich höheren Erträge, dass die Beherbergung und Betreuung der zugewiesenen Personen im Vordergrund steht.
- Bei Verträgen über die Nutzung eines Übersiedlerwohnheims, die ein Bündel von Leistungen zum Inhalt haben, ist für die steuerrechtliche Beurteilung nicht darauf abzustellen, ob und inwieweit die Betreiber von solchen Unterkünften die vertraglich gegenüber staatlichen Stellen übernommenen Verpflichtungen erfüllt haben.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2, § 21 Abs. 1; GewStG § 2 Abs. 1; FGO § 44
Streitjahr(e)
1991
Tatbestand
Streitig ist, ob der Betrieb von Aus- und Übersiedlerwohnheimen eine gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit darstellt.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr 1991 acht Aus- und Übersiedlerwohnheime.
In diesem Zusammenhang hatte sie mit dem Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium xxxxxx, im Jahre 19xx Verträge geschlossen, wonach sie sich u.a. dazu verpflichtet hatte, in bereits erstellten bzw. sechs noch zu errichtenden Gebäuden entsprechend der jeweiligen Belegungskapazität eine bestimmte Anzahl von Aus- und Übersiedlern unterzubringen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen war die Belegung mit konkret benannten Behörden abzustimmen. Dabei gab das Land Hessen eine bestimmte prozentuale Belegungsgarantie. Der Klägerin oblag die Verpflichtung, Kochgelegenheiten und Kühlschränke in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Des weiteren hatte sie Waschmaschinen aufzustellen und deren Benutzung durch die untergebrachten Bewohner zu gestatten. Die regelmäßige Reinigung der von den Bewohnern gemeinschaftlich genutzten Flächen oblag ebenfalls der Klägerin. Unterkunftsräume waren von der Klägerin bei Belegungswechsel zu reinigen. Darüber hinaus hatte sie Bettwäsche und Handtücher in ausreichendem Umfang bereit zu stellen. Handtücher hatte die Klägerin mindestens einmal wöchentlich und die Bettwäsche mindestens einmal innerhalb von 14 Tagen zu wechseln. Von der Haftung für von den Bewohnern verursachte Schäden war das Land Hessen grundsätzlich freigestellt. Von allen außergewöhnlichen Vorfällen (z.B. Streitigkeiten mit untergebrachten Personen) hatte die Klägerin jeweils eine konkret benannte Behörde zu unterrichten. Behördenvertreter waren berechtigt, das jeweilige Objekt tagsüber zu betreten und sich hierin aufzuhalten.
Für die Gewährung der Unterkunft sowie für die Benutzung der Küchen und Wachmaschinen erhielt die Klägerin im Streitjahr einen Festbetrag je Person und Tag inklusive aller Nebenkosten mit Ausnahme der Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr, welche kostenfrei waren. Die monatlichen Abrechnungen erfolgten in der Weise, dass die Klägerin jeweils eine Aufstellung vorlegte, aus der sich die Anwesenheit der einzelnen, namentlich genannten Personen für die einzelnen Tage ergab. Abgerechnet wurde durch Multiplikation der Gesamttage mit dem Tagessatz pro Person unter Berücksichtigung der Belegungsgarantie. Für ein Objekt war zunächst „auf der Grundlage einer Kapazität von xx Plätzen” ein Preis i.H.v. xxxxxxxx DM monatlich inklusive aller Nebenkosten vereinbart worden.
Nach den Feststellungen des Beklagten wurde die Verwaltung und Betreuung der Wohnheime von der Firma A zu einem Preis von ca. xxxxxxxx DM jährlich betrieben; das Ehepaar A war seit dem xx.xx.19xx ausschließlich für die Klägerin tätig und hatte hierfür speziell das Gewerbe „Gebäudereinigung und Hausverwaltung” angemeldet.
Die Klägerin vertrat von Anfang an die Auffassung, dass es sich bei den erzielten ...