Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis eines einzelnen konkreten Unfallereignisses zur Anerkennung als Arbeitsunfall
Orientierungssatz
1. Die schädigende Einwirkung beim Arbeitsunfall ist in Abgrenzung zur Berufskrankheit zeitlich begrenzt, und zwar höchstens auf die Dauer einer Arbeitsschicht. Schäden durch wiederholte, auf mehrere Arbeitsschichten verteilte Einwirkungen sind nur dann Folge eines Arbeitsunfalls, wenn sich eine einzelne Einwirkung derart aus der Gesamtheit hervorhebt, dass sie nicht nur als letzte von mehreren für den Erfolg gleichwertiger Ursachen erscheint. Damit erfüllt Mobbing regelmäßig nicht den Tatbestand eines Arbeitsunfalls.
2. Bei der Schadstoffbelastung eines Schülers durch die im Schulgebäude verbauten Materialien wie Asbest sind die zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Allenfalls kommt insoweit die Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB 7 i. V. m. Nr. 4105 BKV in Betracht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 1. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Entschädigung erlittener psychischer Beeinträchtigungen und Gesundheitsschäden infolge von mehreren Ereignissen im Zusammenhang mit seinem eigenen Schulbesuch und dem seines Sohnes als Mobbing und als Körperverletzung.
Der 1994 geborene Sohn des Klägers B. A. besuchte von 2000 bis 2005 die "C. Grundschule". In der Schule sei - so der Kläger - asbesthaltiges Material verbaut worden, die Unterrichtsräume seien asbestverseucht gewesen. In der Verwendung des Asbest als Baumaterial sieht der Kläger eine gefährliche Körperverletzung und/oder Mobbing; er habe als Elternteil hierüber informiert werden müssen. Als Besucher der Schule und als Abholer im Schulgebäude sei er geschädigt worden.
Im Schuljahr 2011/12 besuchte sein Sohn die D-Schule, eine kaufmännische Berufs- und Berufsfachschule in A-Stadt. Als Mobbingvorgang bezeichnet der Kläger während dieser Zeit zum einen die Einsetzung eines seiner Auffassung nach nicht durchsetzungsfähigen und nicht ordnungsgemäß unterrichtenden Englisch- und auch eines Physiklehrers. Hierdurch sei es zu "wissentlichen Diskriminierungen" der Schüler gekommen. Zudem seien finanzielle Belastungen für Nachhilfe und anderes Nachholen des Lernstoffes entstanden, auch habe der Unterrichtsstoff eigenständig nachgelesen werden müssen. Darüber hinaus sei sein Sohn mehreren Übergriffen durch Mitschüler ausgesetzt gewesen, die sich ihm gegenüber als Vater als "Kollektivbeleidigung" darstellten und ihn gleichermaßen beeinträchtigt hätten (u.a. einen Gurken- und Kaffeebecherwurf durch eine Mitschülerin, einen Wurf des Sohnes auf die Eisbahn während eines Schulausfluges, Beeinträchtigungen durch Beleidigung anderer Personen, die Aufforderung zu sexuellen Handlungen auch unter Ausübung von körperlichem Zwang, die Erpressung zur Herausgabe eines Mobiltelefons sowie eines Betrages von 10,00 Euro). Auf die Mitteilung dieser Geschehnisse gegenüber der Schulleitung der D Schule habe diese nicht reagiert und sei untätig geblieben, wodurch der Kläger ebenfalls gemobbt worden sei. Auch habe sich die Schule geweigert, an die Toilettentüren der Schule abschließbare Schlösser anzubringen bzw. die vorhandenen zu reparieren. Seine Vorsprache bei dem Staatlichen Schulamt am 27. Februar 2012 wegen der vorbezeichneten Vorfälle sei ebenfalls erfolglos geblieben; auch dort habe man sich geweigert, tätig zu werden, was ebenfalls ein Mobbing darstelle.
Ein schädigendes Mobbingereignis sieht der Kläger ebenfalls in seiner eigenen Berufsschulzeit an der D-Schule in A-Stadt vom 5. Dezember 1984 bis 23. Juni 1986, weil er sich ebenfalls in einem asbestverseuchten Schulgebäude habe aufhalten müssen.
Die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der vorgenannten Ereignisse lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 2015 mit der Begründung ab, dass ein Versicherungsfall nicht vorläge. Die Anerkennung eines Arbeits- bzw. eines Schulunfalles sei an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Unter dem gesetzlich definierten Begriff des Arbeitsunfalls sei Mobbing nur schwer zu subsumieren. Das vor allem aus der Arbeitswelt bekannte Mobbing werde wie folgt definiert: konfliktnahe Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzen und Beschäftigten, bei der ein Arbeitnehmer von einer oder einer Mehrzahl von Personen systematisch wiederholt (mindestens einmal pro Woche) während einer längeren Zeit (mindestens über sechs Monate) mit dem Ziel des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen werde. Aufgrund dieser Begriffsbestimmung des Mobbings seien die Merkmale eines Arbeitsunfalls regelmäßig nicht erfüllt. Mobbing zeichne sich gerade nicht durch eine einzelne, abgrenzbare Handlung, sondern durch die ...