Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Versicherungspflicht bzw -freiheit. GmbH-Geschäftsführer ohne Gesellschafteranteil
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gesellschafter einer GmbH, der am Kapital der Gesellschaft nicht beteiligt ist, kann unter besonderen tatsächlichen Umständen als selbstständig anzusehen sein.
2. Besondere Umstände, die gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis eines solchen Fremdgeschäftsführers sprechen, sind ein beherrschender Einfluss auf die GmbH aufgrund besonderen Fachwissens oder besonderer Verantwortung und die dadurch bedingte tatsächliche Unabhängigkeit von Weisungen der Gesellschafter im Einzelfall. Ein solcher Einfluss kann auch bei Geschäftsführern vorliegen, die mit den Gesellschaftern nicht familiär verbunden sind.
3. Gegen die Arbeitnehmereigenschaft sprechen im übrigen der Verzicht auf vertraglich zustehenden Jahresurlaub oder Lohnzahlung.
Tenor
I. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
II. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. April 2000 bis 17. August 2002 in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
Der 1970 geborene Kläger ist Bankkaufmann und Diplom-Betriebswirt und war direkt im Anschluss an sein Studium, welches er am 31. März 2000 beendete, als Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1. tätig. Bei der Beigeladenen zu 1. handelt es sich um eine B-GmbH. Der Kläger war zunächst als alleiniger Geschäftsführer für die Gesellschaft bestellt; im Mai 2000 bestellte die Beigeladene zu 1. einen weiteren Geschäftsführer, den Zeugen F..
In dem bei Errichtung der GmbH geschlossenen Gesellschaftsvertrag ist als Gegenstand des Unternehmens die Übernahme und Durchführung von individuellen Controllingmaßnahmen im Rahmen betriebswirtschaftlicher und unternehmerischer Beratung, die Vermögensaufbauberatung und Vermittlung von Fondsanteilen sowie die Übernahme der Komplementärstellung bei Kapitalgesellschaften bestimmt (§ 2). Das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 25.000 € wurde in dem Vertrag auf die beiden Gründungsgesellschafter, die Zeugin D. und den Zeugen Dr. E., mit einer Stammeinlage von 23.750 € bzw. einer Stammeinlage von 1.250 € aufgeteilt (§ 3). In § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages heißt es: „Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich nur auf die Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinausgehenden Geschäfte ist die Zustimmung der Gesellschafter erforderlich.“ Das Stimmrecht ist in § 6 wie folgt geregelt: „Gesellschafterbeschlüsse erfolgen mit einfacher Mehrheit aller Stimmen; jedoch ist zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrages eine Mehrheit von 75% erforderlich. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 100 DM eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.“
Der Kläger schloss mit der Beigeladenen zu 1. am 18. Februar 2000 einen Arbeitsvertrag, wonach sein Aufgabengebiet das gesamte Spektrum betriebswirtschaftlicher Tätigkeit umfasst, der Arbeitgeber aber berechtigt ist, „dem Angestellten eine andere seinen Fähigkeiten entsprechende gleichwertige und gleich bezahlte Tätigkeit zuzuweisen“. Neben Regelungen zur Beendigung des Angestelltenverhältnisses (§ 2), zu Arbeitszeiten (§ 4) und zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 6) enthält der Arbeitsvertrag unter anderem die Festlegung eines bestimmten Jahresgehaltes (§ 3). In § 5 des Arbeitsvertrages ist zudem bestimmt, dass der Urlaub in Abstimmung mit der Firmenleitung festgelegt wird. In § 11 des Vertrages heißt es: „Die Vertragsparteien stimmen mit den Gesellschaftern überein, dass bei Erfüllung der gesetzlichen und persönlichen Voraussetzung eine Aufnahme von Herrn A. in ein Gesellschaftsverhältnis mit einer entsprechenden Beteiligung vorgesehen ist.“
Die Beigeladene zu 1. meldete den Kläger zur Sozialversicherung an, bat aber mit Schreiben vom 12. April 2000 zugleich bei der Beklagten um Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Stellung des Klägers. Dieser sei nach ihrer Auffassung selbstständig tätig, da er dem Direktionsrecht der Gesellschafter zwar rein formal unterworfen sei, als Geschäftsführer aber maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH habe und in organisatorischer, finanzieller und administrativer Hinsicht nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. In dem von ihm ausgefüllten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung vom 23. Februar 2000 gab der Kläger u. a. an, er verfüge als einziger im Unternehmen über die für die Führung erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Er verneinte (durch entsprechendes Ankreuzen auf dem Formular), dass er seinen Urlaub genehmigen lassen müsse und gab hinsichtlich seiner Vergütung an, diese werde als Lohn/Gehalt verbucht, am Gewinn sei er nicht beteiligt beziehungs...