Subjektiver Tatbestand: Delegiert der Erklärungspflichtige die ihm obliegenden Aufgaben und kommt es z.B. wegen eines Fehlers in der Finanzbuchhaltung und in der Folge wegen einer unzutreffenden Steuererklärung in objektiver Hinsicht zu einem Verkürzungserfolg, bietet allein der subjektive Tatbestand Spielraum zur Argumentation, wenn der Vorwurf der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO erhoben wird.

Vorsatz bedeutet aufgrund der Rechtsprechung des BGH nach schlagwortartiger Definition das Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Deliktstatbestandes. Zum Vorsatz gehört, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will. Vorsatz setzt sich in diesem Sinne zusammen aus einem kognitiven und einem voluntativen Element, die in unterschiedlicher Ausprägung unterschiedliche Vorsatzgrade begründen. Ausreichend ist für den Fall des § 370 AO bereits ein Eventualvorsatz. Es genügt also, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.[13]

Leichtfertig handelt demgegenüber, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird.[14] Leichtfertigkeit bezeichnet daher einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit im Sinne einer an Vorsatz grenzenden groben Fahrlässigkeit.[15]

Beraterhinweis Vor diesem Hintergrund sind die zentralen Fragen, die die Verteidigung erörtern muss: Welches Vorstellungsbild hatte der Beschuldigte und wie wirkt sich darin der Umstand der Aufgabendelegation aus? Welche Sorgfaltspflichten sind bei der Delegation der Erfüllung steuerlicher Pflichten zu beachten und konnte der Beschuldigte diese wahren?

Kontaktpunkte von Straf- und Steuerrecht: Der BGH und BFH waren bereits in einigen Entscheidungen mit diesen Fragen befasst. Kontaktpunkte mit dem Steuerstrafrecht weist die Finanzgerichtsbarkeit auf

Zentraler Gegenstand der Entscheidungen ist dabei die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 370 AO oder des § 378 AO.

[13] St. Rspr. des BGH, vgl.: BGH v. 16.12.2009 – 1 StR 491/09, BeckRS 2010, 2398; v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160; v. 28.6.2017 – 1 StR 624/16, wistra 2018, 131; v. 24.1.2018 – 1 StR 331/17, NStZ-RR 2018, 180; v. 4.9.2019 – 1 StR 579/18, wistra 2021, 76; v. 11.2.2020 – 1 StR 119/19, NStZ 2020, 487; v. 10.2.2021 – 1 StR 525/20, NZWiSt 2022, 254. Ebenso: BFH v. 28.9.2021 – VIII R 18/18, BStBl. II 2022, 239 = AO-StB 2022, 45 (Marfels). An dem Konzept eines kognitiven und voluntativen Vorsatzelements wird indes auch Kritik geübt, vgl. Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370 AO Rz. 126 (180. Lfg. 3/2024); Peters in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 370 AO Rz. 445 (278. Lfg. 1/2024).
[15] Sahan in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2024, § 378 AO Rz. 20 f.; Randt in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2022, § 378 AO Rz. 33 ff.

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