Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Hinzuschätzungen mittels Quantilsschätzung sind grundsätzlich zulässig und nicht ernstlich zweifelhaft, weil nach dieser Schätzungsmethode der normale Geschäftsverlauf als repräsentativ angesehen wird.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Prüfung einer Gastwirtschaft, im Rahmen derer der Prüfer zu der Auffassung gelangte, dass die Kassenführung des Steuerpflichtigen in den Streitjahren nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und den Unterlagen die Vermutung der sachlichen Richtigkeit gemäß § 158 AO fehle. Weder seien die vom Steuerpflichtigen behaupteten täglichen Bargeldanfangsbestände dokumentiert noch sei nachvollziehbar aufgezeichnet worden, dass der Bargeldbestand am Ende eines jeden Geschäftstages mit den in der Kasse enthaltenen Bargeldbeträgen abgeglichen worden sei. Die Verkaufsvorgänge seien nicht einzeln, sondern lediglich in einer Summe je bedienten Tisch bzw. Kunden aufgezeichnet worden. Fortlaufend nummerierte Kellnerbons oder Tagesabschlüsse, in denen der End- und Anfangsbestand der Kasse, die Entnahmen und Einlagen aufgezeichnet wurden und mit der Tageslosung abgeglichen worden seien, fehlten.
Aufgrund der mit Hilfe der Daten des Betriebs durchgeführten Zeitreihenvergleiche stellte der Prüfer außerdem eine große Schwankungsbreite der Rohgewinnaufschlagsätze sowohl monats-, quartals- als auch jahresbezogen fest. Dies legte nach Ansicht des Prüfers den begründeten Verdacht nahe, dass die Aufzeichnungen neben den formellen Mängeln auch in materieller Hinsicht unrichtige Besteuerungsgrundlagen (Gewinne und Umsätze) auswiesen, weil der Betrieb keinen signifikanten saisonalen Schwankungen unterliege und von einem weitgehend homogenen Geschäftsverlauf über das gesamte Geschäftsjahr hinweg mit gleichbleibendem Verlauf der Aufschlagsätze auszugehen sei. Aufgrund der Mängel sah der Prüfer in allen drei Streitjahren Anlass für Hinzuschätzungen. Als Schätzungsmethode wandte er die Quantilsschätzung an und erhöhte entsprechend die Gewinne.
Mit seinem beim Finanzgericht gestellten Eilantrag beantragte der Steuerpflichtige Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führt er an, dass das Finanzamt weder dem Grunde noch der Höhe nach zu Hinzuschätzungen berechtigt sei.
Entscheidung
Das Finanzgericht kam im Rahmen der summarischen Prüfung im Aussetzungsverfahren zu dem Ergebnis, dass das Finanzamt zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO berechtigt war, da der Steuerpflichtige im Rahmen seiner in den Streitjahren ausgeübten gewerblichen Tätigkeit nicht die gesetzlichen Aufzeichnungserfordernisse über die vollständige und zeitnahe Erfassung seiner nahezu ausschließlich (bar) zugeflossenen Betriebseinnahmen in entsprechender Anwendung des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO erfüllt hatte. Außerdem bestanden gewichtige Indizien dafür, dass der Steuerpflichtige seine Betriebseinnahmen in den dem Finanzamt vorgelegten Aufzeichnungen nicht vollständig erfasst hat und neben der formellen Ordnungswidrigkeit auch eine sachliche (materielle) Unrichtigkeit der Aufzeichnungen wahrscheinlich ist.
Das Finanzgericht hält auch die Quantilsschätzung im Streitfall für sachgerecht, weil nach dieser Schätzungsmethode der normale Geschäftsverlauf als repräsentativ angesehen wird und zudem mit der vorsichtigen Wahl des obersten Werts mit dem 80 %-Quantil die objektivierte Leistungsfähigkeit unabhängig von Extremwerten berücksichtigt wird und alle betrieblichen Besonderheiten abgebildet werden. Der Streuung der Rohgewinnabschlagsätze ist nach Ansicht des Finanzgerichts mit dem Ansatz des 80 %-Quantils ausreichend Rechnung getragen.
Hinweis
Der 4. Senat des FG Berlin - Brandenburg weicht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung 5. Senat des FG Berlin - Brandenburg ab, der mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 24.8.2016 (Az: 5 V 5089/16) entschieden hat, dass die Quantilsschätzung nicht als zulässige Schätzungsmethode, sondern allenfalls als Verprobungsmethode zu erachtet sei, die sodann zu weiteren Ermittlungen Anlass bieten könne. Der Senat hat daher die Beschwerde zugelassen, da eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs dazu geboten erscheint, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Quantilsschätzung für zulässig erachtet wird.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.01.2017, 4 V 4265/15