OFD Hannover, Verfügung v. 19.5.2004, S 0622 - 713 - StO 321/S 0622 - 228 - StH 461
1. Allgemeines
Sinn und Zweck der Hinzuziehung nach § 360 AO ist es, in das Verfahren Dritte als Beteiligte einzubeziehen, die nicht Einspruch eingelegt haben oder die Gegner des Einspruchsführers sind, denen gegenüber aber die Entscheidung zweckmäßig oder auch notwendig bindende Wirkung haben soll. Sie soll das Verfahren vereinfachen und abweichende Entscheidungen vermeiden.
Unterschieden wird dabei zwischen der
Eine Hinzuziehung ist nicht geboten in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung sowie bei einem offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf.
2. Einfache Hinzuziehung
Die einfache Hinzuziehung setzt die Möglichkeit voraus, dass die steuerrechtlichen Interessen eines Dritten durch die Einspruchsentscheidung berührt werden. „Berührt” sind die Interessen dann, wenn das Unterliegen oder Obsiegen des Einspruchsführers die Rechtslage des Hinzuziehenden beeinträchtigen könnte. Voraussetzung ist jedoch nicht, dass nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist bzw. sich zwingend Rechtsfolgen für den Hinzuzuziehenden ergeben. Ein vom Gesetz selbst genannter Beispielsfall ist der des Haftungsschuldners. Wirtschaftliche, persönliche oder tatsächliche Auswirkungen der Entscheidung auf Dritte reichen nicht aus.
Die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts. Dabei ist grundsätzlich nicht kleinlich zu verfahren. Zu beachten ist jedoch das Steuergeheimnis. Eine Offenbarung ist nur insoweit zulässig, wie sie für die Durchführung der Hinzuziehung erforderlich ist (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO).
Die einfache Hinzuziehung kommt insbesondere bei Gesamtschuldverhältnissen in Betracht.
Von der Hinzuziehung sollte, außer bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten (vgl. Tz. 3), nach Möglichkeit dann abgesehen werden, wenn die rechtlichen Interessen des Dritten den Belangen des Einspruchsführers zuwiderlaufen.
Ist absehbar, dass dem Einspruch stattgegeben werden kann oder dass eine einvernehmliche Erledigung wahrscheinlich ist, sollte, außer bei Zusammenveranlagung von Ehegatten (vgl. Tz. 3), wegen der sonst erforderlichen Zustimmung des Hinzugezogenen (s. Tz. 6) ebenfalls von einer einfachen Hinzuziehung abgesehen werden.
3. Hinzuziehung bei zusammenveranlagten Ehegatten als Hauptanwendungsfall der einfachen Hinzuziehung
Wenn nicht beide Ehegatten Einspruch eingelegt haben, ist die einfache Hinzuziehung bei zusammenveranlagten Ehegatten zweckmäßig, um zu verhindern, dass gegen die Ehegatten als Gesamtschuldner unterschiedliche Steuerbeträge festgesetzt werden. Bei einem Streit über die Zurechnung von Einkünften oder bei entgegengesetzten Interessen der Ehegatten soll immer eine Hinzuziehung erfolgen.
Der Einspruch eines Ehegatten gegen den Bescheid über eine Zusammenveranlagung kann nicht ohne weiteres auch als Einspruch des anderen Ehegatten angesehen werden. Deshalb ist zunächst zu prüfen, ob sich nicht aus anderen Umständen ergibt, dass der Einspruch von beiden Ehegatten erhoben wurde („… legen wir Einspruch ein …”; Namen beider Ehegatten im Briefkopf genannt oder Unterschrift beider Ehegatten).
Ergeben sich keine Anhaltspunkte, die zuverlässig auch auf einen Einspruch des Ehegatten hindeuten, ist beim Verfasser des Einspruchsschreibens zurück zu fragen, ob er den Einspruch zugleich im Namen seines Ehegatten eingelegt hat. Diese Anfrage kann zweckmäßigerweise mit der Ankündigung der Hinzuziehung (§ 360 Abs. 1 Satz 2 AO) verbunden werden.
Von einer solchen Anfrage ist aber abzusehen, wenn der Einspruchsführer eindeutig zu erkennen gegeben hat, den Einspruch nur im eigenen Namen eingelegt zu haben (im Briefkopf nur Einspruchsführer angegeben; Schreiben in Ich-Form, nur Namensangabe und Unterschrift des Einspruchsführers am Ende des Schreibens).
Greift der Einspruchsführer beispielsweise den Einkommenssteuerbescheid auch oder ausschließlich wegen Besteuerungsgrundlagen seines Ehegatten an, ist dadurch nicht automatisch auch ein Einspruch des anderen Ehegatten gegeben, weil der Einspruchsführer den Bescheid auch insoweit anfechten kann, als dieser vom Ehegatten bezogene Einkünfte betrifft. In diesem Fall ist jedoch eine zeitnahe Rückfrage beim Einspruchsführer geboten, ob der Einspruch auch im Namen des Ehegatten im Wege der Bevollmächtigung (§ 80 AO) erhoben wurde.
Die gängige Formulierung von Angehörigen der steuerberatenden Berufe, „… Im Namen meines Mandanten …” einen Einspruch einzulegen, ist noch kein eindeutiger Hinweis darauf, dass das Einspruchsverfahren nur für einen Ehegatten geführt werden soll.
Ein von beiden Ehegatten unterzeichnetes Schreiben, das nach Ablauf der Einspruchsfrist eingeht, ist nicht ausreichend, um das Einspruchschreiben nachträglich als Einsprüche beider Ehegatten auszulegen.
4. Notwendige Hinzuziehung
Kann eine Entscheidung über einen Einspruch gegenüber Dritten nur einheitlich ergehen, so sind diese notwendig...