Leitsatz
1. Ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen ist im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert zu bewerten.
2. Der bei § 17 EStG nicht abziehbare Verlust aus dem Ausfall eines stehen gelassenen Gesellschafterdarlehens wird nicht bei § 20 EStG berücksichtigt, wenn der Darlehensverlust vor dem 31.12.2008 eingetreten ist.
Normenkette
§ 17 Abs. 1, 2, 4 und 2a, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, § 52 Abs. 25a, Abs. 28 Satz 16 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008, § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB
Sachverhalt
Die Kläger waren etwa seit 1990 relevant an einer GmbH beteiligt. 1997 gewährte der Kläger der GmbH ein Darlehen über 500.000 DM. Im Oktober 2004 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH; im August 2009 beantragte er die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen.
Erstmals im Jahr 2009 machten die Kläger den Verlust aus der insolvenzbedingten Auflösung der GmbH steuerlich geltend und berücksichtigten dabei den Verlust des Darlehens in Höhe seines noch valutierenden Werts. Das FA berücksichtigte das Darlehen nicht. Auch die Klage hatte keinen Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.6.2021, 5 K 5188/19, Haufe-Index 15155038, EFG 2022, 160).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Kläger aus den dargestellten Gründen zurückgewiesen. Das FG hatte den Ausfall des Darlehensrückzahlungsanspruchs rechtsfehlerfrei auf den Eintritt der Krise mit 0 EUR bewertet. Der Verlust war also nicht in § 17 EStG zu erfassen und – mangels zeitlicher Anwendbarkeit von § 20 Abs. 2 EStG – auch nicht in § 20 EStG.
Bemerkenswert ist, dass der BFH die offene Rechtsfrage jetzt entschieden hat – trotz im Urteil geäußerter erheblicher Bedenken, a) ob der Steuerbescheid des Streitjahres noch hätte geändert werden können (er war nach Aktenlage bestandskräftig) und b) ob der geltend gemachte Verlust wirklich im Streitjahr zu berücksichtigen war. Im Grundsatz wird ein Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erst mit dem Abschluss der Liquidation erfasst. Das die GmbH betreffende Insolvenzverfahren war aber noch nicht beendet. Aus beiden Gründen hätte das Anliegen der Kläger schon keinen Erfolg haben dürfen; der Senat hat gleichwohl die Gelegenheit genutzt, um bei der Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG für Rechtssicherheit zu sorgen. Steuerpflichtige, die entscheiden müssen, ob sie die Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG beantragen wollen, wissen nun, was sie erwartet.
Hinweis
Das Besprechungsurteil ist die erste Entscheidung des BFH zur Bewertung von in der Krise stehen gelassenen Finanzierungshilfen (hier: Darlehen) im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG. Der BFH hat insoweit erkannt, dass die Grundsätze der früheren Rechtsprechung auch unter der neuen Rechtslage fortgelten mit der Folge, dass ein stehen gelassenes Darlehen mit dem Teilwert bei Eintritt der Krise zu bewerten ist. Konkret hat der BFH die Bewertung mit dem Teilwert von 0 EUR durch das FG nicht beanstandet.
§ 20 Abs. 2 EStG kam nicht zur Anwendung, weil die ausgefallene Forderung auf Rückzahlung des Darlehens vor dem 31.12.2008 begründet worden war und es sich nicht um eine sog. Finanzinnovation handelte.
1.§ 17 Abs. 2a EStG war im Streitfall anwendbar, weil die Kläger die Anwendung beantragt hatten. Nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG ist § 17 Abs. 2a Sätze 1 bis 4 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen ohne zeitliche Einschränkung auch auf Altfälle anwendbar. Die Anwendung kann jederzeit, auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, gestellt werden (so der Streitfall; vom BFH nicht in Zweifel gezogen).
2. In der Krise stehen gelassene Finanzierungshilfen (hier: Darlehen) führen nach der Rechtsprechung mit dem im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegenden Wert (Teilwert) zu nachträglichen Anschaffungskosten. Die gegenteilige Auffassung der Kläger, dass die ausgefallene Forderung mit dem Nennwert zu berücksichtigen sei, hat der BFH verworfen.
a) Der BFH zieht die Grenze zwischen den Anwendungsbereichen der §§ 17 und 20 EStGauf der Zeitachse mit dem Eintritt der Krise. Der bis dahin – außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung – eingetretene Wertverlust fiel früher im nicht steuerbaren Bereich an, wird nun aber ggf. von § 20 Abs. 2 EStG erfasst. Erst mit dem Eintritt der Krise entsteht die gesellschaftsrechtliche Veranlassung. Nur der danach anfallende Wertverlust kann nach diesem Verständnis von § 17 EStG erfasst werden. Dies erfordert bei Anwendung von § 17 EStG eine Bewertung auf den Stichtag des Eintritts der Krise. Voraussetzung dafür ist in jedem Fall auch die (genaue) Feststellung, wann die Krise eingetreten ist. Denn ohne diese Feststellung hat die Bewertung keine Grundlage (grundlegend zum Ganzen: BFH, Urteil vom 20.6.2023, IX R 2/22, BFH/NV 2023, 1257, BFH/PR 2023, 2023, 332).
b) § 17 Abs. 2a EStG enthält selbst keine Regelung über die Bewertung stehen gelassener Forderungen. ...