LfSt Niedersachsen v. 8.5.2020, S 7107 - 28 - St 171
Gemäß R 4.5 Abs. 6 Satz 1 KStR 2015 stellt die Verwertung und Beseitigung von Abfällen aus privaten Haushaltungen durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine hoheitliche Tätigkeit dar. Werden diese Abfälle oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe und Energie im Rahmen der Verwertung entgeltlich abgegeben, liegt körperschaftsteuerlich ein sog. hoheitliches Hilfsgeschäft vor (vgl. R 4.5. Abs. 6 Sätze 1 bis 5 KStR 2015). Unter der Rechtslage des bisherigen § 2 Abs. 3 UStG werden deshalb die Umsätze der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aus
- dem Verkauf von Papierabfällen der privaten Haushaltungen und
- der Einspeisung von Strom, welcher im Rahmen einer KWK-Anlage aus dem Verbrennen von Deponie- oder Klärgas gewonnen wurde,
mangels eines Betriebes gewerblicher Art nicht der Umsatzsteuer unterworfen (vgl. Abschnitt 2.11 Abs. 4 UStAE).
Gegenüber BMF ist die Frage aufgeworfen worden, ob diese umsatzsteuerliche Behandlung unter der Rechtslage des neuen § 2b UStG fortgeführt werden kann. Hierzu bitte ich, folgende Auffassung zu vertreten:
Für beide Fälle ist von einer umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit auszugehen. Insbesondere ist die Annahme eines hoheitlichen Hilfsgeschäftes i. S. v. Rz. 19f. des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016, BStBl 2016 I S. 1451, abzulehnen. Auf die Regelungen des § 2b UStG musste nicht eingegangen werden, weil die hier in Rede stehenden Verwertungstätigkeiten auf privatrechtlicher Grundlage abgewickelt werden und damit von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 2b UStG fallen (Rz. 6 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016).
Zum Vorsteuerabzug gelten die allgemeinen Regelungen. Hierzu bemerke ich:
Die Umsatzsteuerpflicht der genannten Verwertungsgeschäfte wird dazu führen, dass den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern – anders als bisher – der uneingeschränkte Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aus den Veräußerungskosten des Stroms und des Altpapiers zusteht, weil diese direkt den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zugerechnet werden können.
Daneben steht den Entsorgungsträgern ein weiterer (anteiliger) Vorsteuerabzug aus den Kosten der Deponie- und Klärgasgewinnung sowie der Errichtung und dem Betrieb der KWK-Anlage zu, ggf. auch für Altanlagen über § 15a UStG (Rz. 63 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016). Je nach Nutzung der erzeugten Wärme und des erzeugten Stroms ist der Vorsteuerabzug analog § 15 Abs. 4 UStG auf den unternehmerisch verwendeten Teil zu begrenzen. Das BFH-Urteil vom 16. November 2016, V R 1/15, das in der Frage der Vorsteueraufteilung für eine KWK-Anlage von Abschnitt 2.5 UStAE abweicht, ist bislang nicht amtlich im BStBl II veröffentlicht und daher zurzeit nicht allgemein anzuwenden. Es ist das Zuordnungsverbot nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG zu beachten, das greift, wenn der Umfang der unternehmerischen Verwendung eines einheitlichen Gegenstands nicht mindestens 10 % erreicht.
Darüber hinaus berechtigt auch das Einsammeln und ggf. Sortieren der Abwässer, Bioabfälle usw. sowie des Altpapiers zumindest anteilig zum Vorsteuerabzug, weil die betreffenden Leistungsbezüge nicht nur der Erfüllung der hoheitlichen Entsorgungspflichten dienen, sondern anteilig auch in die Kosten für die unternehmerischen Verwertungsumsätze einfließen. Sofern keine hinreichenden Aufzeichnungen für die erforderliche Vorsteueraufteilung (siehe dazu Abschnitt 15.19 Abs. 3 UStAE) vorliegen, bestehen keine Bedenken, wenn nach Abschnitt 2.10 Abs. 6 UStAE verfahren und der Vorsteueraufteilung z. B. das Verhältnis der Verwertungserlöse zu den Gebühreneinnahmen des öffentlichen Entsorgungsbetriebes zugrunde gelegt wird. Auch insofern ist § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG zu beachten.
Die Karteikarte S 7100 Karte 10 (Kontroll-Nr. 1330) zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist auszusondern.
Normenkette
UStG § 2b