Dipl.-Finanzwirt (FH) Jens Keese
Leitsatz
Für die Frage der wirtschaftlichen Eingliederung in eine Holdinggesellschaft reicht es aus, dass "gegenseitige wirtschaftliche Beziehungen" bestehen, durch die die beteiligten Personen eng miteinander verbunden sind. Nach richtlinienkonformer Auslegung ist es nicht mehr erforderlich, dass das beherrschte Unternehmen den gewerblichen Zwecken des herrschenden Unternehmens dient.
Sachverhalt
Streitig war, ob zwischen der Klägerin und der Firma P GmbH in den Streitjahren ein Organschaftsverhältnis bestand. Die Klägerin war eine GmbH und Gegenstand ihres Unternehmens der Erwerb von und die Beteiligung an Unternehmen aller Art. Die Klägerin hielt 99 % der Anteile an der P GmbH. Unternehmenszweck der P GmbH war die Herstellung/Bearbeitung und der Vertrieb von Aluminium-Druckgussteilen. In den Streitjahren 1996 und 1997 gingen die Klägerin und das Finanzamt vorerst einvernehmlich von einer Organschaft zwischen der Klägerin als Organträger und der P-GmbH aus. Am 2.4.1998 teilte die Klägerin dem FA mit, eine Überprüfung habe ergeben, dass ein Organschaftsverhältnis zur P GmbH mangels wirtschaftlicher Eingliederung nie bestanden habe. Die Klägerin beantragte die Änderung der bisherigen Steuerfestsetzungen ohne Einbeziehung der Umsätze und Vorsteuerbeträge der P GmbH. Nach Ablehnung durch das Finanzamt und Zurückweisung des Einspruchs legte die Klägerin am 4.2.1999 gegen den Einspruchsbescheid Klage ein. Sie trug vor, im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses sowie der Steuererklärungen 1996 habe wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Konkurses der P GmbH erstmals Anlass bestanden, sich näher mit der Frage zu befassen, ob tatsächlich ein Organschaftsverhältnis bestanden habe. Dabei habe sich herausgestellt, dass ein Organschaftsverhältnis von Anfang an tatsächlich nicht vorgelegen habe. Die Klägerin habe keine unternehmensleitende Tätigkeit durch Herausgabe von Weisungen, Empfehlungen, gemeinsame Besprechungen und Beratungen, Management-Letter oder durch unmittelbare Eingriffe in die operative Geschäftspolitik vorgenommen. Eine wirtschaftliche Eingliederung setze nach Auffassung der Klägerin voraus, dass der Organträger auf die wirtschaftliche Betätigung der Organgesellschaft tatsächlich Einfluss nehme. Im Übrigen fehle nach dem EUGH-Beschluss vom 12.7.2001 (Rs C-102/00 "Welthgrove BV", UR 2001, 533) die Unternehmereigenschaft, wenn eine Holding zwar in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften eingreife, dafür aber kein Entgelt erhalte. Bei den weiterbelasteten Personalkosten handele es sich lediglich um eine Verwaltungskostenumlage.
Entscheidung
Das FG Hessen wies die Klage als unbegründet zurück. Das Finanzamt ist nach Auffassung des Gerichts in den Streitjahren zu Recht vom Vorliegen einer Organschaft ausgegangen. Die Klägerin war in den Streitjahren als Unternehmerin tätig. Die für ein Organschaftsverhältnis erforderliche Unternehmereigenschaft kommt einer Holdinggesellschaft nach der Rechtsprechung des BFH und des EUGH nur dann zu, wenn und soweit sie nachhaltig Leistungen gegen Entgelt erbringt. Dabei ist ein unmittelbares oder mittelbares Eingreifen der Holding in die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaften als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie anzusehen. Hierfür ist aber ausreichend, dass entgeltliche Leistungen an eine Gesellschaft erbracht werden, mit der als Folge dieser Leistungstätigkeit eine enge finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Verbindung besteht. Die Klägerin hat - unstrittig - durch ihren Geschäftsführer Managementleistungen an die beiden Organgesellschaften erbracht, die für die Verwaltung dieser Gesellschaften erforderlich und bedeutsam waren. Dies geschah auch gegen Entgelt und damit im Leistungsaustausch. Auch "Umlagen" oder "Kostenverrechnungen" sind Entgelt, wenn sie als Gegenleistung für eine Leistungstätigkeit ausgetauscht werden. Die Umlage ist im Streitfall auch ohne schriftlichen Vertrag als Gegenleistung für die Dienste des Geschäftsführers anzusehen. Die Klägerin erbrachte durch ihren Geschäftsführer entgeltliche Dienstleistungen an ihre Tochtergesellschaften, war damit wirtschaftlich tätig und konnte daher als Unternehmerin auch Organträgerin sein. Die P GmbH war finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert. Für die Frage der allenfalls streitigen wirtschaftlichen Eingliederung ist eine Auslegung im Sinne von Art. 4 Abs. 4, 2. Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie erforderlich. Es reicht danach aus, dass gegenseitige wirtschaftliche Beziehungen bestehen, durch die die beteiligten Personen "eng miteinander verbunden" sind. Nach richtlinienkonformer Auslegung ist es nicht erforderlich, dass das beherrschte Unternehmen den gewerblichen Zwecken des herrschenden Unternehmens dient. In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht reichen für die wirtschaftliche Eingliederung bereits enge wirtschaftliche Beziehungen aus. Es genügt insoweit, dass die Tätigkeit des herrschenden Unternehmens dem be...