Jürgen Berners, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Weist das Finanzamt einen Einspruch gegen einen Schätzungsbescheid als unbegründet zurück, weil die Steuererklärung vor Erlass der Einspruchsentscheidung immer noch nicht – zur Gänze – erstellt und beim Finanzamt eingereicht wurde, steht der Berater vor der insbesondere unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten bedeutsamen Frage, ob er gegen die Einspruchsentscheidung Klage beim FG erhebt oder einen Antrag auf sog. schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i. V. m. Satz 2 und 3 AO stellen soll. Ich hatte seinerzeit (vgl. HHG 8/2017) befürwortet, wegen der (noch) nicht eindeutig geklärten Rechtslage in komplexen Steuerfällen gegen Schätzungsbescheide nach Ergehen der Einspruchsentscheidung den Klageweg zu beschreiten.
Erfreulicherweise hat der BFH (Beschluss v. 22.5.2019, XI R 17/18, BStBl 2019 II, S. 647) nunmehr zeitnah für Klarheit gesorgt. Er hat entschieden, dass die Anforderungen an die Konkretisierung des Antrags auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO nicht strenger sind als die Anforderungen an die Konkretisierung des Gegenstands des Klagebegehrens i. S. d. § 65 Abs. 1 FGO.
Die steuerpflichtige GmbH kam ihrer Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2015 nicht nach. Im Einspruchsverfahren gegen die daraufhin erlassenen Schätzungsbescheide erließ das Finanzamt eine den Einspruch als unbegründet zurückweisende Einspruchsentscheidung. Noch vor Ablauf der Klagefrist stellte die Steuerpflichtige einen Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und reichte hierzu DATEV- Steuerberechnungen ein. Nach Ablauf der Klagefrist wurden die jeweiligen Steuererklärungen übermittelt.
Das Finanzamt lehnte die begehrte schlichte Änderung mit der Begründung ab, sie sei nicht rechtzeitig durch Abgabe der jeweiligen Steuererklärungen substantiiert und konkretisiert worden.
Das Niedersächsische FG (Urteil v. 18.4.2018, 6 K 49/18, EFG 2018, S. 426) hat entschieden, dass das Finanzamt die Änderungsanträge zu Unrecht als zu unkonkret abgelehnt habe. Allerdings könne es keine Verpflichtung des Finanzamts zur antragsgemäßen Veranlagung aussprechen, weil das Finanzamt noch nicht geprüft habe, ob den Angaben in den Steuererklärungen inhaltlich gefolgt werden könne.
In dem nachfolgenden Revisionsverfahren XI R 17/18 hat der BFH die Rechtsauffassung des FG bestätigt und führt dazu im Wesentlichen Folgendes aus: Das vom Steuerpflichtigen verfolgte Änderungsbegehren muss sich seinem – sachlichen – Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem fristgerecht gestellten Antrag auf schlichte Änderung selbst ergeben, sodass Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung der Änderung auf die Steuerfestsetzung für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend sind. Die Antwort auf die Frage, ob der Antrag hinreichend konkretisiert ist, ist das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung, die dem FG obliegt und an die der BFH nach Maßgabe des § 118 FGO gebunden ist.
Keine vollständigen Steuererklärungen erforderlich
Die Vorlage vollständiger Steuererklärungen ist in Schätzungsfällen für einen hinreichend konkreten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO demnach nicht erforderlich.
Das FG hat seine Auffassung, die Anträge seien hinreichend konkretisiert, damit begründet, dass in der DATEV-Berechnung "Körperschaftsteuer 2015" die Summe und der Gesamtbetrag der Einkünfte sowie das zu versteuernde Einkommen ebenso beziffert sind wie die nicht abziehbaren Aufwendungen und deren Ermittlung. Zudem habe die Klägerin in der DATEV-Berechnung zur "Umsatzsteuer 2015" nicht nur die für das Streitjahr festzusetzende Umsatzsteuer, sondern auch die Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19 %, die anderen steuerpflichtigen Leistungen, die abziehbaren Vorsteuerbeträge aus Rechnungen anderer Unternehmen und aus innergemeinschaftlichen Erwerben erklärt sowie bezifferte Angaben zu Abschnitt F der Anlage UR gemacht. Zur "Gewerbesteuer 2015" habe die Klägerin ihren endgültigen Verlust nach § 7 GewStG angegeben sowie die Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag nach § 8 GewStG konkret bezeichnet. Die Gewerbesteuerrückstellung betrage nach der DATEV-Berechnung 9.188 EUR. In der Berechnung heiße es zudem, dass dieser Betrag zu aktivieren sei.
Eine weitere Aufschlüsselung der Positionen in den DATEV-Berechnungen sei für die Wirksamkeit eines Antrags auf schlichte Änderung nicht erforderlich. Für die notwendige Konkretisierung eines solchen Antrags könne nämlich nichts Anderes gelten als für die notwendige Konkretisierung einer Klage nach § 65 Abs. 1 FGO.
Voraussetzungen für schlichte Änderung einhalten
Will der Steuerpflichtige nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung noch mit Erfolg eine schlichte Änderung zu seinen Gunsten beantragen, um eine Klage vor dem FG zu vermeiden, muss er einige Voraussetzungen einhalten:
- Er muss innerhalb der Klagefrist einen konkreten Antrag stellen.
- Innerhalb der Frist muss das Änderungsbegehren dem sach...