Jürgen Berners, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
In HHG 7/2019 waren anhand der "Grundsteuerentscheidung" des BVerfG die kostenrechtlichen Folgen für die in der Folge vom BFH zurückgewiesene Revision des Klägers vor dem Hintergrund aufgezeigt worden, dass das BVerfG steuerliche Normen als mit der Verfassung für unvereinbar erklärt, aber deren Anwendung noch für eine gewisse Zeit zulässt (sog. pro futuro Rechtsprechung). Danach hat ein Kläger, dessen Revision zurückgewiesen wird, die Kosten des Revisionsverfahrens auch zu tragen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt auf Vorschriften beruht, die zwar verfassungswidrig sind, deren Anwendung aber aufgrund einer entsprechenden Anordnung des BVerfG weiterhin (für eine bestimmte Zeit) zulässig ist.
"Sonderopfer" berücksichtigen
Der klagende Steuerpflichtige hat bei dieser Fallkonstellation nach Auffassung des ehemaligen Präsidenten des BFH Prof. Dr. Klaus Offerhaus ein "Sonderopfer" zu erbringen. Die – nach den Vorschriften der FGO gerechtfertigte – Belastung mit Gerichtskosten und Verfahrensauslagen widerspricht allerdings nach h. M. dem Gerechtigkeitsempfinden.
Während die kostenrechtliche Folge bei Zurückweisung der Revision nach § 135 Abs. 2 FGO zwingend vorgegeben ist, entscheidet das Gericht bei einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach billigem Ermessen durch Beschluss über die Kosten des Verfahrens (vgl. § 138 Abs. 1 FGO). Dabei ist dem Gericht ein weiter Spielraum eingeräumt, innerhalb dessen durchaus eine Ausrichtung am allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden maßgebend ist (vgl. BFH, Beschluss v. 10.11.1971, I B 14/70, BStBl 1972 II, S. 222).
Der VII. Senat des BFH (Beschluss v. 18.7.2019, VII R 9/19, BFH/NV 2019, S. 1189) hat diesem Gerechtigkeitsempfinden bei seiner Kostenentscheidung dadurch Rechnung getragen, dass er der Finanzbehörde die Verfahrenskosten in einem Fall auferlegt hat, in dem das BVerfG eine Steuerrechtsnorm mit Bestimmungen des GG als unvereinbar erklärt und die Fortgeltung der Vorschrift bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber angeordnet hat.
Nachdem das BVerfG (Beschluss v. 11.12.2018, 2 BvL 4/11 u. a., BGBl 2019 I, S. 194) entschieden hatte, dass § 2 Abs. 2 Sätze 1 und 4 BierStG 1993 i. d. F. des Art. 15 HBeglG 2004 zwar mit dem GG unvereinbar sind, aber diese befristet weitergelten, hatten die Verfahrensbeteiligten beim BFH nach Wiederaufnahme des Revisionsverfahrens übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Nach § 143 Abs. 1 i. V. m. § 138 Abs. 1 FGO war vom BFH demzufolge nur noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden. Der BFH hat die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen dem Hauptzollamt auferlegt, weil die Klägerin einen verfassungswidrigen Rechtszustand für die Vergangenheit hinnehmen muss und ihr insoweit ein Sonderopfer auferlegt wird.
Die nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung müsse sich – so der VII. Senat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH – nicht ausschließlich am Gedanken des materiellen Kostenrechts orientieren, also daran, wer bei einer Entscheidung über die Hauptsache die Kosten zu tragen hätte. Auch der Frage, welcher der Beteiligten Veranlassung zum gerichtlichen Verfahren gegeben habe, kommt Bedeutung zu.
Es würde neben dem Auferlegen eines Sonderopfers dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden widersprechen, von der Klägerin zu verlangen, einen verfassungswidrigen Biersteuerbetrag zu entrichten, und sie auch noch mit den Kosten des Gerichtsverfahrens zu belasten, obwohl das BVerfG bestätigt habe, dass die verfassungsrechtlichen Zweifel der Klägerin berechtigt gewesen seien. Sie hätte nämlich mit ihrer Klage Erfolg gehabt, wenn das BVerfG die Unvereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften des BierStG 1993 mit der Verfassung nicht nur für die Zukunft ausgesprochen hätte.
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt
Entscheidend für die Kostenentscheidung zugunsten der Klägerin war im Rezensionsbeschluss, dass die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten. Damit war für die Kostenfolge nicht vornehmlich von Bedeutung, dass der BFH – so er den Rechtsstreit in der Hauptsache hätte entscheiden müssen – die Revision der Klägerin (wohl) – und dann mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO – zurückgewiesen hätte.
Autor: Dipl.-Finw. Werner Becker, Namborn