Ulrike Geismann, Dr. Andreas Nagel
Die Anforderungen an Steuerberater sind in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden und reichen mittlerweile weit über die klassische Steuerberatung hinaus. Eine "Rundumbetreuung" aller Branchen ist insbesondere für kleinere und mittlere Kanzleien aus zeitlichen und personellen Gründen oft nicht möglich. Die Spezialisierung auf ausgewählte Branchen oder Tätigkeiten kann in diesem Fall eine interessante Alternative sein.
Eine Spezialisierung bietet die Möglichkeit, sich als Experte für ein bestimmtes Themengebiet zu positionieren und sich auf diese Weise von anderen Mitbewerbern erkennbar zu unterscheiden. Die Spezialisierung führt meist zu einer besonders starken Mandantenbindung und zu einer aktiven Weiterempfehlung innerhalb der Zielgruppe. In den meisten Fällen bedeutet die Spezialisierung auch nicht den völligen Verzicht auf alle anderen Tätigkeitsbereiche. Eine Kanzlei wird sich meist nicht in völlige Abhängigkeit von einer bestimmten Zielgruppe begeben, sondern die Grundauslastung der Kanzlei durch einen gemischten Mandantenstamm sicherstellen. Auch spezialisierte Kanzleien haben daher Mandanten aus vielen verschiedenen Branchen. Spezialisierung bedeutet daher oft nur eine andere Gewichtung der bisherigen Tätigkeit. Die Strategie heißt: Bestandsmandanten halten – bevorzugte Zielgruppe ausbauen. Die Kanzlei ist dann weiterhin "Generalist", nun allerdings mit ein oder zwei selbstgewählten Tätigkeitsschwerpunkten.
Voraussetzung für die Spezialisierung auf eine bestimmte Branche ist meist ein geeigneter Standort mit einer größeren Anzahl von Unternehmen aus der Zielgruppe. In ländlichen Regionen ist eine derartige Spezialisierung daher oft schwieriger. Die Kanzlei benötigt in diesem Fall ein größeres Einzugsgebiet, was für Berater und Mandanten mit entsprechenden Fahrtzeiten verbunden sein kann. In sensiblen Branchen muss außerdem damit gerechnet werden, dass Unternehmer sich nicht für einen Steuerberater entscheiden, der bereits mehrere Mitbewerber betreut.
Auswahl des Spezialgebiets
Eine Spezialisierung kann sich auf Branchen, Tätigkeiten, Rechtsformen oder auf bestimmte Sachverhalte beziehen. Viele Steuerberater haben ihre Spezialisierung in einer Branche aufgebaut, in der sie durch ihre bisherige Tätigkeit zufallsbedingt bereits mehrere Mandate gewonnen hatten.
Tätigkeit soll Spaß machen
Beachten Sie bei der Auswahl Ihres Spezialgebiets, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die Ihnen als Berater Freude macht oder eine Branche, an der Sie intensives Interesse haben. Was man gerne tut, tut man meist auch dauerhaft und besonders gut.
Fachliche Voraussetzungen
Es kostet meist Zeit, Geld und Geduld, im angestrebten Spezialgebiet das erforderliche Fachwissen aufzubauen. Die ersten Schritte sind oft die schwierigsten. Planen Sie eine Anlaufphase von 1–2 Jahren ein, wenn Sie sich das erforderliche Wissen neben der laufenden Berufstätigkeit aneignen müssen. Vor allem der Aufbau von Branchenkenntnissen ist zeitintensiv. Eine wichtige Informationsquelle für Brancheninformationen sind oft die Berufsverbände der jeweiligen Zielgruppe. Auf deren Homepage finden Sie die aktuell wichtigsten Themen der Branche und häufig auch eine Stellungnahme zur bisherigen und zukünftigen Entwicklung. Wenn Sie den Newsletter des Berufsverbands abonnieren, erhalten Sie regelmäßig aktuelle Informationen. Daneben können Sie Zeitschriften und Bücher von Fachverlagen auswerten und die jährliche Branchenmesse Ihrer Zielgruppe besuchen. Vielleicht können Sie auch aus den Datenbanken Ihres EDV-Anbieters branchenbezogene Informationen abrufen.
Auf eine Branche konzentrieren
Konzentrieren Sie sich zunächst nur auf eine einzige Branche, um sich nicht zu verzetteln. Eine spätere Ausdehnung auf eine weitere Branche ist damit nicht ausgeschlossen. Vielleicht können Sie dann sogar das Wissen aus der ersten Branche teilweise auf die nächste Branche übertragen und sich die zweite Branche dadurch mit deutlich geringerem Zeitaufwand erschließen.
Personelle Voraussetzungen
Die Spezialisierungsmöglichkeiten einer Kanzlei hängen oft stark von der Struktur des aktuellen Mandantenstamms und von den personellen Kapazitäten ab. In größeren Kanzleien mit mehreren Berufsträgern ist eine Spezialisierung leichter machbar, weil die Spezialisierung hier von einem eigenständigen Team aufgebaut werden kann. Wenn ein mehrköpfiges Team die Spezialisierung gemeinsam trägt, verringert sich auch das Risiko, das durch den Ausfall eines einzigen Spezialisten entstehen kann. In Einzelkanzleien ist eine Spezialisierung deutlich schwieriger. Sie gelingt oft nur, wenn der Kanzleiinhaber in der Aufbauphase einen Teil seiner Tätigkeiten auf Mitarbeiter delegieren kann und sich dadurch zeitliche Freiräume für den Aufbau der Spezialisierung ergeben.
Akquisition von Zielmandanten
Durch eine Spezialisierung bauen Sie sich innerhalb der Zielgruppe einen hohen Bekanntheitsgrad auf und gewinnen durch Weiterempfehlungen neue Mandanten. Sie sollten Ihr Spezialwissen aber au...