Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Dr. Andreas Nagel
Frage:
Der Streitwert einer Anfechtungsklage gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung ist bekanntlich grundsätzlich pauschal mit 25 % des streitigen Gewinns oder Verlusts zu bemessen. Die tatsächlichen Auswirkungen bei den einzelnen Gesellschaftern werden nicht ermittelt.
In Honorargestaltung 2/2019 hatten Sie darüber berichtet, dass der v. g. Prozentsatz bei Streitigkeiten um die Höhe des Gewinns allerdings keine feste Größe sei. Ausnahmsweise komme der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar sei, dass der Pauschsatz der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkung nicht gerecht werde.
Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Kostenstelle des BFH den Streitwert in einem sog. "Goldfinger-Fall" mit 30 Mio. EUR angenommen und auf dieser Grundlage Gerichtskosten i. H. v. 548.325 EUR festgesetzt haben soll. Können Sie das bestätigen und bejahendenfalls näher erläutern?
Antwort:
Ja, es ist richtig, dass die Kostenstelle des BFH die v. g. Gerichtskosten mit Schlusskostenrechnung vom 13.2.2023 festgesetzt und einen Streitwert von 30 Mio. EUR zugrunde gelegt hat. Die Erinnerung, mit der die Klägerin geltend machte, der Streitwert für das Verfahren um die Anerkennung progressionswirksamer Verluste i. H. v. 80.256.810 EUR im Rahmen eines Feststellungsbescheids sei pauschal mit 25 % von 80.256.810 EUR (abgerundet: 20.064.200 EUR) anzusetzen, hatte keinen Erfolg (BFH, Beschluss v. 27.10.2023, I E 4/23).
Exkurs zu "Goldfinger-Gestaltungen"
Durch Steuergestaltungen wurden bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Ausland durch den Kauf von im Umlaufvermögen gehaltenen Edelmetallen, Rohstoffen oder Wertpapieren in einem Jahr hohe Verluste generiert, die durch den negativen Progressionsvorbehalt zu einer Steuerersparnis führten. Sofern die bei Verkauf der Güter erzielten Gewinne bei Anwendung des positiven Progressionsvorbehalts ohne Auswirkung bleiben, weil ohnehin der Spitzensteuersatz anzuwenden ist, ergaben sich definitive Steuervorteile.
Dem "Goldfingermodell" wurde ein Riegel vorgeschoben
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl 2013 I, S. 1809, wurde diesem Gestaltungsmodell ein Riegel vorgeschoben (vgl. § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG). Durch diese Neuregelung sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens erst im Zeitpunkt des Verkaufs oder der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Diese Regelung ist nach § 52 Abs. 33 Satz 1 EStG erstmals anzuwenden auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die nach dem 28.2.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden.
Vorliegend noch Altfall in Streit
Der BFH hat im Erinnerungsverfahren I E 4/23 entschieden, dass die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren ohne Rechtsfehler ausgehend von einem Streitwert von 30 Mio. EUR (gesetzlicher Höchstwert nach § 39 Abs. 2 GKG) festgesetzt worden ist.
Pauschalansatz regelmäßig mit 25 %
Dem regelmäßig anzuwendenden Pauschalansatz von 25 % liege – so der BFH – im Rahmen des eher summarischen Verfahrens "nach Ermessen" (§ 52 Abs. 1 GKG) die Überlegung zugrunde, bei der Streitwertbemessung sowohl der verfahrensrechtlichen Trennung von Feststellungs- und (Steuer-)Festsetzungsverfahren als auch zugleich einem etwaigen Geheimnisschutzinteresse einzelner Beteiligter (§ 30 AO) Rechnung zu tragen.
Nicht zuletzt gehe es auch darum, den Ermittlungsaufwand, der abhängig von der Anzahl der Feststellungsbeteiligten (und zugleich der vom Rechtsstreit betroffenen Personen) das Verfahren zur Bemessung des Streitwerts bei einer strengen Individualisierung überfrachten könnte, zu begrenzen.
Diesem Ansatz sei es immanent, dass sich der Blick auf die konkreten steuerlichen Auswirkungen bei einzelnen Feststellungsbeteiligten im Regelfall auf die Typisierung beschränke, ob die erwarteten Auswirkungen (als streitwerterhebliches Interesse des Beteiligten i. S. d. "Bedeutung der Sache", § 52 Abs. 1 GKG) durch den Pauschalwertansatz abgebildet seien, und dass die persönliche Zuordnung durch den Wert der Beteiligung an den gemeinschaftlichen Besteuerungsgrundlagen (hier: Höhe der Beteiligung an den gemeinschaftlichen Einkünften als Grundlage einer Auswirkung auf den inländischen Steuersatz) abgeschlossen werde.
An dieser pauschalen Ermittlung des Streitwerts sei selbst dann festzuhalten, wenn im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung die tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen bei den Feststellungsbeteiligten (als ertragsteuerliche Zurechnungssubjekte der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte) bekannt geworden seien.
Pauschalansatz allerdings keine feste Größe
Ausnahmsweise komme der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besonder...