Frage: Ich habe u. a. den Auftrag zur Erstellung einer Feststellungserklärung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer erhalten. Nachdem ich gleich zu Beginn des Auftrags eine umfangreiche Auswertung von Bauakten vorgenommen habe, wurde mir der Auftrag kurzfristig (wegen eines Eigentümerwechsels) gekündigt. Zur Feststellung eines Werts bin ich nicht gelangt. Ich kann diesen anhand der unvollständigen Unterlagen auch nicht schätzen.

Ich würde nun gerne für die begonnene Tätigkeit eine Abrechnung nach Zeitgebühr vornehmen. § 24 Abs. 1 Nr. 11 StBVV sieht jedoch für die Anfertigung einer Erklärung zur Feststellung nach dem Bewertungsgesetz eine Abrechnung nach Gegenstandswert und einen Mindestgegenstandswert von 25.000 EUR vor. Muss ich diesen ansetzen oder darf ich gleichwohl auf die Zeitgebühr ausweichen?

Antwort: Zunächst ist es auf bereits entstandene Gebühren ohne Einfluss, wenn der Auftrag endet, bevor die Angelegenheit erledigt ist (§ 12 Abs. 4 StBVV). Für die Entstehung der Gebühr ist nicht die Auftragserteilung, sondern die Aufnahme der ersten Tätigkeit maßgeblich. In der amtlichen Begründung zur (damals noch) StBGebV heißt es zu § 12 Abs. 4 StBGebV: "Eine Gebühr ist entstanden, sobald der Steuerberater auf Grund des Auftrags irgendeine Tätigkeit vorgenommen hat." Da Sie nach Auftragserteilung bereits eine umfangreiche Auswertung von Bauakten vorgenommen haben, ist die Gebühr nach § 24 Abs. 1 Nr. 11 StBVV damit grundsätzlich verdient.

Abgesehen von einer ausdrücklichen Vereinbarung im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung nach § 4 Abs. 1 StBVV darf nach Zeit nur dann abgerechnet werden, wenn die StBVV dies ausdrücklich vorsieht (§ 13 Satz 1 Nr. 1 StBVV) oder keine genügenden Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswerts vorliegen (§ 13 Satz 1 Nr. 2 StBVV). Bei Feststellungserklärungen, die auf Ermittlung eines Werts abzielen, kommt die Zeitgebühr deshalb grundsätzlich nicht in Betracht. Es ist ohne Vereinbarung auch nicht möglich, in Fällen aufwendiger Feststellungserklärungen, bei denen ein (Gegenstands-)Wert ermittelt wird, der aber nicht für eine auskömmliche Gebühr ausreicht, auf die Zeitgebühr auszuweichen. Möglich ist in solchen Fällen nur, den weiten Rahmen des § 24 Abs. 1 Nr. 11 StBVV von 1/20 bis 20/20 einer Gebühr auszuschöpfen. Bei einem Mindestgegenstandswert von 25.000 EUR "bringt" die höchste Gebühr nach § 24 Abs. 1 Nr. 11 StBVV (20/20) 720 EUR, die sog. "Mittelgebühr" (10,5/20) liegt bei 378 EUR.

In Ihrem Fall jedoch, in dem die umfangreiche Auswertung der Bauakten zu keinem Ergebnis geführt hat, da der Auftrag gekündigt wurde, bevor die Wertfeststellung erfolgte, sollte für die begonnene Feststellungserklärung ausnahmsweise ein Ausweichen auf die Zeitgebühr möglich sein. Die Möglichkeit zur Abrechnung nach Zeitgebühr ist m. E. auch nicht durch das Vorhandensein eines gesetzlich definierten Mindestgegenstandswerts gesperrt.

Konkrete Literatur oder Gerichtsentscheidungen zu dieser Konstellation gibt es – soweit ersichtlich – nicht. M. E. gilt Folgendes: Gebührentatbestände mit Wertgebühren und einem Mindestgegenstandswert sehen vorrangig immer einen "echten" Gegenstandswert vor. Gedanklich ist also in folgender Reihenfolge zu prüfen:

  • Schritt 1: Ermittlung des Gegenstandswerts
  • Schritt 2: Prüfung, ob dieser oder der Mindestgegenstandswert höher ist
  • Schritt 3: Ansatz des höheren der beiden Werte

Ist Schritt 1 nicht möglich, weil keine genügenden Anhaltspunkte zur Schätzung eines Gegenstandswerts vorliegen, gelangt man nicht zu den Schritten 2 und 3. Der Mindestgegenstandswert ist immer nur die Alternative zum Gegenstandswert oder, anders gesagt: ohne Gegenstandswert gibt es keinen Mindestgegenstandswert. In einem solchen Fall kann man also nach Zeit abrechnen. Da § 13 Satz 1 Nr. 2 StBVV keine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellt, ist in der Abrechnung § 24 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 2 StBVV zu zitieren. Die Zeitgebühr beträgt 30 bis 70 EUR je angefangene halbe Stunde. Bei Ansatz eines mittleren Werts von 50 EUR/½Stunde entsteht ab einem Tätigwerden von 4 Stunden ein höheres Honorar als bei Ansatz des Mindestgegenstandswerts und der Mittelgebühr nach § 24 Abs. 1 Nr. 11 StBVV.

Autor: Simon Beyme, StB/Syndikus-RA/FA f. StR., Geschäftsführer Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg e. V., Berlin

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