Dr. Andreas Nagel, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Betreffen Haupt- und Hilfsanspruch denselben Gegenstand (umfasst der Hauptantrag wertmäßig den Hilfsantrag) oder ist das finanzielle Interesse von Haupt- und Hilfsantrag identisch, bestimmt sich der Wert nur nach einem dieser Ansprüche, und zwar nach dem weitergehenden (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG; Brandis in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, 177. Aufl./Lfg. 09.2023, vor § 135 Rz. 112, m. w. N.).
Das hohe Kostenrisiko schreckt manchen Mandanten ab, sein Recht vor Gericht bei Ausnutzung des Instanzenwegs bis zum BFH geltend zu machen. In der steuerlichen Fachliteratur werden daher Überlegungen angestellt, ob sich das Prozesskostenrisiko künstlich aufsplitten lässt (vgl. StB/WP Dipl.-Kfm. Johannes Weßling, Minderung des Prozesskostenrisikos durch Verbindung von Teilklagen im Wege der "uneigentlichen Eventualklagenhäufung", AO-StB 2019, S. 194)
Echte vs. unechte Eventualklage
Von einer echten Eventualklage spricht man, wenn der Hilfsantrag nur für den Fall geltend gemacht wird, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt. Von einer unechten Eventualklage spricht man, wenn der Hilfsantrag nur für den Fall geltend gemacht wird, dass der Hauptantrag Erfolg hat.
Antrag in einem FG-Verfahren
Das Finanzamt (FA) erkennt einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) i. H. v. 200.000 EUR nicht an. Bei einem angenommenen Grenzsteuersatz von pauschal 50 % beträgt der Streitwert 100.000 EUR.
Der in einem FG-Verfahren in diesem Beispielfall zu stellende Antrag lautet typischerweise wie folgt:
"Es wird beantragt, den Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 200.000 EUR anstatt von bisher 400.000 EUR berücksichtigt werden und die Einkommensteuer mit 100.000 EUR anstatt bisher 200.000 EUR festgesetzt wird".
Zu überlegen wäre, ob es möglich ist, den obigen Antrag wie folgt in einen Haupt- und einen Hilfsantrag aufzuspalten:
"Es wird beantragt, den Einkommensteuerbescheid wegen des bisher nicht gewährten IAB i. H. v. 200.000 EUR dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer mit 195.000 EUR statt bisher 200.000 EUR festgesetzt wird. Hilfsweise wird unter der Bedingung des Obsiegens mit dem Hauptantrag beantragt, den Einkommensteuerbescheid wegen des bisher nicht gewährten IAB i. H. v. 200.000 EUR dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer mit 100.000 EUR statt bisher 200.000 EUR festgesetzt wird" (vgl. hierzu StB/WP Dipl.-Kfm. Johannes Weßling, a. a. O.).
Willkürliche Aufteilung des Klagegegenstands zur Kostenreduzierung nicht Rechtens
Dass diese Überlegungen nicht praxisfremd sind, wird nachstehend an zwei finanzgerichtlichen Entscheidungen aufgezeigt. Das FG Münster (Beschluss v. 1.6.2021, 5 Ko 1247/21 GK, EFG 2021, S. 1410) und der BFH (Beschluss v. 23.8.2023, XI E 1/23, BFH/NV 2023, S. 1415) haben entschieden, dass im Fall einer unechten Eventualklage, bei der Haupt- und Hilfsantrag materiell-rechtlich nicht in einem Stufenverhältnis stehen, sondern eine willkürliche Aufteilung eines einheitlichen Klagegegenstands bilden mit dem Ziel, dass im Hinblick auf das Kostenrisiko mit dem Hauptantrag lediglich ein Teilbetrag und hilfsweise für den Fall des Obsiegens der Gesamtbetrag eingeklagt wird, für den Streitwert, der im finanzgerichtlichen Verfahren nach der sich aus dem Klagebegehren ergebenden Bedeutung der Sache bestimmt wird, der höhere Wert des Hilfsantrags maßgeblich ist.
Der Ausgangssachverhalt: Steuerberater vertrat sich in eigener Sache
Der Kläger ist selbstständiger Steuerberater. Das FA stellte am 18.4.2016 einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Am 26.9.2016 erteilte der Kläger einem Steuerberater (Rechnungsempfänger), mit dem er eine Bürogemeinschaft unterhielt, eine Rechnung. Diese lautete wie folgt:
„Für meine Leistungen im Leistungszeitraum 2/2016 erlaube ich mir wie folgt zu liquidieren:
Leistungen 125.000.000 EUR
Umsatzsteuer 23.750.000 EUR
Summe 148.750.000 EUR
Der Betrag ist sofort fällig.”
Der Rechnungsempfänger hat den Betrag nicht gezahlt. Am 4.10.2016 gab der Kläger seine Umsatzsteuervoranmeldung für September 2016 ab und erklärte eine Umsatzsteuer von rd. 23.751.783 EUR. Gleichzeitig legte er dagegen Einspruch ein und teilte mit, dass er die Rechnung vom 26.9.2016 mit einem überhöhten Umsatzsteuerausweis (23.750.000 EUR) ausgestellt habe und die tatsächliche Steuer 237,50 EUR betrage.
Das FA änderte die Umsatzsteuervorauszahlung für September 2016 und setzte die Vorauszahlung auf 1.783 EUR herab. Die Steuer gem. § 14c UStG wurde darin nicht berücksichtigt.
Mit Beschluss ...