Dr. Dario Arconada Valbuena, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Eine allgemeine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 AO besteht, wenn ein Steuerpflichtiger bzw. sein gesetzlicher Vertreter, sein Gesamtrechtsnachfolger oder eine andere in § 153 Abs. 1 Satz 2 AO genannte Person (vgl. AEAO zu § 153, Nr. 4) nachträglich erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung (vgl. AEAO zu § 153, Nr. 3) objektiv unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist oder kommen kann (vgl. AEAO zu 153, Nr. 1). Dabei handelt es sich um eine steuerrechtliche Pflicht.
Sowohl im Fall einer Anzeige und Berichtigung nach § 153 Abs. 1 AO als auch im Fall einer Selbstanzeige muss die Erklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe objektiv unrichtig gewesen sein. Objektiv unrichtig ist die Erklärung, wenn sie entgegen § 90 Abs. 1 Satz 2, § 150 Abs. 2 Satz 1 AO nicht alle steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegt (vgl. AEAO zu 153, Nr. 2).
Erkennt der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung und kommt er seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO unverzüglich nach, liegt weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, wenn es sowohl am Vorsatz als auch an der Leichtfertigkeit fehlt (vgl. AEAO zu 153, Nr. 2).
Tätigkeit des Steuerberaters bei Berichtigung von Erklärungen
Bei der Berichtigung von Erklärungen erstreckt sich die Tätigkeit des Steuerberaters z. B. auf:
- Feststellungen über berichtigungsbedürftige Erklärungen, Steuerentrichtungen und Vergünstigungsvoraussetzungen
- Ermittlung anzuzeigender unvollständiger oder unrichtiger Erklärungsangaben
- Berechnung zu niedrig entrichteter Steuern
- Ermittlung weggefallener Voraussetzungen für Steuervergünstigungen
- Erstattung der Anzeige mit Erläuterungen und die erforderlichen Veranlagungen mit der Finanzverwaltung
Handelt es sich also um einen Fall der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 AO, stellt sich die Frage, nach welcher Vorschrift der StBVV eine entsprechende Berichtigung durch den Steuerberater abzurechnen ist. Darüber hinaus ist die Frage zu klären, wie hoch der Gegenstandswert für die umfangreichen Tätigkeiten des Steuerberaters anzusetzen ist.
Die Gebühr nach § 23 Satz 1 Nr. 1 StBVV
Wenn der Steuerberater bei der Anzeige und der Berichtigung einer Erklärung mitwirkt, entsteht eine Gebühr nach § 23 Satz 1 Nr. 1 StBVV. Erkannte der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit der Erklärung schon bei Abgabe und handelte er mit Hinterziehungsvorsatz oder leichtfertig, fällt eine Richtigstellung nicht unter § 153 AO, sondern stellt eine Selbstanzeige dar (Feiter, eKommentar StBVV, § 23, Rz. 4).
Erstattet der steuerliche Berater für den Steuerpflichtigen in einem solchen Fall Selbstanzeige, fällt eine Gebühr nach § 30 StBVV an. Andererseits ist § 23 Satz 1 Nr. 1 StBVV sinngemäß über § 2 StBVV anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit der Erklärung bei Abgabe kannte, aber ohne Hinterziehungsvorsatz handelte (AG Langen, Urteil v. 9.1.2009, 56 C 100/08). Bei der nachträglichen Ermittlung von Kapitaleinkünften stellt sich zusätzlich die Konkurrenzfrage zu § 27 Abs. 1 StBVV (Feiter, eKommentar StBVV, § 23, Rz. 4). Beide Vorschriften sind vom Wortlaut her einschlägig.
Gegenstandswert ermitteln
Entscheidend für die Gebührenhöhe ist jedoch neben der gesetzlichen Grundlage auch die Bezugsgröße, mithin der anzusetzende Gegenstandswert. Allgemein kann dazu gesagt werden, dass sich der "Wert des Interesses" sich nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StBVV bestimmt. § 23 Satz 1 Nr. 1 StBVV sieht einen Gebührenrahmen von 2/10 bis 10/10 einer vollen Gebühr nach Tabelle A vor. § 27 Abs. 1 StBVV sieht demgegenüber einen Gebührenrahmen von 1/20 bis 12/20 einer vollen Gebühr nach Tabelle A vor.
Mindestgegenstandswert kann vorteilhaft sein
Trotz des niedrigeren Gebührenrahmens kann die Abrechnung nach dieser Vorschrift für den Steuerberater vorteilhaft sein, da hier – anders als bei § 23 Abs. 1 Nr. 1 StBVV – ein Mindestgegenstandswert von 8.000 EUR vorgesehen ist. Auch vor diesem Hintergrund werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten.
Das "Bruttoprinzip"
Teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass auf die Bruttobeträge der Berichtigung abzustellen sei (AG Langen a. a. O.; Boelsen in: Eckert, 6. Aufl. 2017, § 23 StBVV Rz. 5; Berners, 5. Aufl. 2016, § 23 StBVV Rz. 12; Brummer, BB 1984, S. 2136, 2137; Schwamberger in: Meyer/Goez/Schwamberger, 8. Aufl. 2016, § 23 StBVV Rz. 4; wohl auch Mittelsteiner/Scholz, 4. Aufl. 1998, Einführung Rz. 72). Dafür spricht, dass sich z. B. die Summe der positiven Einkünfte, das Einkommen vor Berücksichtigung eines Verlustabzugs oder der Rohwert einer Schenkung nachprüfbar bestimmen lassen.
Der "Steuerdifferenz"-Ansatz
Nach Literaturmeinung ist der Wert des Interesses mit der durch die Berichtigung ausgelösten Steuerdifferenz gleichzusetzen (Boelsen in: Eckert, 6. Aufl. 2017, § 23 StBVV,...