Dr. Andreas Nagel, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Frage:
Ich habe Mandanten, die einen größeren Teil ihrer Einkünfte im Ausland versteuern. In Deutschland unterliegen diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt. Übergibt man die Gegenstandswerte aus DATEV in die Rechnungsschreibung, werden die ausländischen Einkünfte nicht mitberücksichtigt. Ist das so richtig, oder müssten die ausländischen Einkünfte nicht den Gegenstandswert für den Mantelbogen erhöhen?
Antwort:
Rechtlich ist es grundsätzlich nicht relevant, wie die DATEV die Werte behandelt, da die DATEV ein Softwareunternehmen und kein Rechtsdienstleister ist. In der Praxis ist es aber natürlich so, dass sich Steuerberater auf die Rechenwege ihrer Software verlassen.
In der angefragten Konstellation ist es nach der absolut h. M. so, dass beim Gegenstandswert des § 24 Abs. 1 Nr. 1 StBVV auch steuerfreie Einnahmen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, berücksichtigt werden. Diese – überzeugende – Auffassung wird u. a. vertreten von Feiter (eKommentar StBVV, § 24, Rz. 7, Stand: 1.4.2022) und Boelsen (in: Eckert, StBVV, 7. Aufl. 2017, § 24, Rz. 7). Begründet wird sie damit, dass § 24 Abs. 1 Nr. 1 StBVV als Gegenstandswert "die Summe der positiven Einkünfte" und nicht die Summe der positiven "steuerpflichtigen" Einkünfte nennt und damit eine Einschränkung auf "steuerpflichtige" Einkünfte dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist. Deshalb können für die Anwendung der StBVV auch solche enthalten sein, die aufgrund eines DBA oder aufgrund anderer Vorschriften im EStG steuerfrei bleiben, aber für den Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG zu erfassen sind (vgl. hierzu auch Honorargestaltung 12/2021).
Weitere Kommentare (z. B. Berners, Praktikerkommentar StBVV, 6. Aufl. 2020, § 24, Rz. 20 oder Meyer/Goez/Schwamberger,StBVV Praxiskommentar, 10. Aufl. 2021, § 24, Rz. 12), äußern sich nicht direkt zu der Frage, gehen aber ebenfalls davon aus, dass der Gegenstandswert die Summe der positiven Einkünfte ist. Darunter lässt sich ohne Weiteres subsumieren, dass auch steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte beim Gegenstandswert zu berücksichtigen sind.
Eine Stütze für die Nichtberücksichtigung dieser Einkünfte beim Gegenstandswert hat die DATEV in der Kommentarliteratur also – soweit ersichtlich – nicht. Richtigerweise können Sie in einer (ggf. manuell anzupassenden) Honorarrechnung die ausländischen Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, beim Gegenstandswert für Zwecke der Abrechnung nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 StBVV berücksichtigen.
Falls Sie in der Vergangenheit aufgrund des "Rechenfehlers" des DATEV-Rechnungsprogramms in diesen Fällen mit einem zu geringen Gegenstandswert abgerechnet haben, lässt sich dies ggf. noch heilen. Der Gegenstandswert ist nämlich ein tatsächlicher Wert, sodass es zulässig ist, einen falschen Gegenstandswert nachträglich zu korrigieren. Eine Bindung an einen falschen Gegenstandswert gibt es nicht. Sie kann auch nicht aus § 11 StBVV abgeleitet werden, da der Gegenstandswert – anders als der Zehntelsatz – nicht dem Ermessen des Steuerberaters unterliegt, sondern eine objektive Größe ist (Feiter, eKommentar StBVV, § 9, Rz. 15, Stand: 1.7.2020).
Verjährung beachten bei Rechnungskorrektur
Bei einer Rechnungskorrektur ist jedoch die Verjährung zu beachten, auf die sich Mandanten nach Ablauf von 3 Jahren nach Erbringung der Leistung zum Jahresende berufen können (§§ 195, 214 Abs. 1 BGB).
Autor: Simon Beyme, StB/Syndikus-RA/FAfStR/Ldw.-Buchst., Geschäftsführer Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg, Berlin