Dr. Dario Arconada Valbuena, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Zusammenfassung
Als Steuerberater müssen Sie stets genau prüfen, wie mit dem Finanzamt zu kommunizieren ist. Denn ein unbedachtes Gesuch auf Akteneinsicht kann dazu führen, dass die Steuerfahndung auf ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren umschwenkt. Mehr dazu im Beitrag von Herrn Dr. Arconada.
1 Honorarsicherung: Post von der Steuerfahndung: Gebühren im Besteuerungs- oder im Strafverfahren?
Auch in einem Dauermandat kann es vorkommen, dass das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen oder das Wohnsitzfinanzamt den Mandanten direkt oder gleich den Steuerberater mit unangenehmen Rückfragen anschreibt. Häufig heißt es in derartigen Schreiben:
„Sehr geehrte Frau X,
der Steuerfahndung liegt ein anonym verfasster Hinweis vor, in welchem auf mögliches steuerliches Fehlverhalten Ihrer Person (= pflichtwidrige Nichtabgabe gebotener Steuererklärungen) hingewiesen wird.
Zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts des Hinweises sowie möglicher steuerlicher Auswirkungen beabsichtige ich Sie, am XX.XX.2021 unter Ihrer Anschrift zur Durchführung einer Anhörung aufzusuchen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Finanzamt
Inhalt des Schreibens genau prüfen
An dieser Stelle ist Vorsicht geboten: zum einen im Sinne des Mandanten und zum anderen im Sinne der eigenen Gebühren. Denn es stellt sich die Frage, ob dieses Schreiben zur Sicherung der Besteuerungsgrundlagen dient, oder das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen dem Mandanten einen strafrechtlichen Vorwurf eröffnen möchte, die formalen Voraussetzungen für ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren jedoch (noch) nicht vorliegen.
Voraussetzung für die Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungen ist der Anfangsverdacht. Anfangsverdacht ist eine der Verdachtsstufen bei der Strafverfolgung in Deutschland. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts sind die Strafverfolgungsbehörden zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet. Der Anfangsverdacht ist abzugrenzen vom hinreichenden (§§ 170, 203 StPO) sowie vom dringenden Tatverdacht (vgl. etwa § 112 Abs. 1 StPO).
Nach dem Legalitätsprinzip (vergleiche Nr. 14 AStBV) ist jede Finanzbehörde gem. § 152 Abs. 2 StPO verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. Nrn. 23 und 24 AStBV) wegen aller verfolgbaren Straftaten (vgl. Nrn. 18 und 19 AStBV) ohne Ansehen der Person einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
Das Legalitätsprinzip ist Ausprägung des Rechtsstaatsgedankens und gewährleistet den auch im Strafverfahren geltenden Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art. 3 GG). Die Finanzbehörde hat auf die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit, die Beschleunigung des Verfahrens sowie auf die Zweckmäßigkeit und die Zuverlässigkeit der Ermittlungen zu achten (vgl. auch Nr. 6 AStBV).
Dabei folgt das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen einer in Nr. 10 AStBV vorgegebenen Reihenfolge in der hausinternen Bearbeitung. Die Eingänge beim Finanzamt für Fahndung und Strafsachen sind darauf zu prüfen, ob
- die Finanzbehörde das Verfahren selbstständig durchzuführen befugt (vgl. Nr. 17 AStBV) und sachlich und örtlich zuständig ist (vgl. Nrn. 23-25 AStBV),
- Vorfeldermittlungen (vgl. Nr. 12 AStBV) oder Vorermittlungen (vgl. Nr. 13 AStBV) anzustellen sind,
- die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verfahrens zu verneinen sind oder von der Einleitung abzusehen oder diese zurückzustellen ist,
- das Strafverfahren oder das Bußgeldverfahren einzuleiten ist (vgl. Nrn. 26, 104 AStBV),
- die Staatsanwaltschaft zu unterrichten ist (vgl. Nr. 140 AStBV) oder
- die Sache sogleich an die Staatsanwaltschaft abzugeben (vgl. Nr. 22 AStBV) oder dieser vorzulegen ist (vgl. Nr. 110 Abs. 1 AStBV).
Kein Ermittlungsverfahren im engeren Sinn
Vor dem Hintergrund des zitierten Schreibens wäre es daher falsch, sich zu legitimieren, um Akteneinsicht in die Ermittlungsakte des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen zu bekommen. Denn in einem Fall der Vorfeldermittlungen (vgl. Nr. 12 AStBV) oder Vorermittlungen (vgl. Nr. 13 AStBV) ist noch kein Ermittlungsverfahren im engeren Sinne eingeleitet worden.
Was Vorfeldermittlungen oder Vorermittlungen sind, regeln die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) 2019.
Vorfeldermittlungen nach Nr. 12 AStBV
Vorfeldermittlungen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) sind geboten, wenn noch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit gegeben sind, jedoch die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Die Ermittlungen können sich sowohl auf unbekannte Steuerpflichtige als auch auf unbekannte Sachverhalte beziehen. Es handelt sich um Ermittlungen im Besteuerungsverfahren im Unterschied zu den Vorermittlungen (vgl. Nr. 13 AStBV). Soweit dazu Anlass besteht, ist dem Steuerpflichtigen das "Merkblatt über die Rechte und Pflichten von Steuerpflichtigen bei Prüfungen durch die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO" auszuhändigen (vgl. BMF, Schreiben v. 13.11.2013, IV A 4 – S 0700/07/10048-10, BStBl I 2013, S. 1458).
Ergibt sich aufgrund der Ermittlungen der Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit i. S. d. Nrn. 18, 19 und 105-107 AStBV, führt die Steufa weiter...