Dr. Dario Arconada Valbuena, Dr. Andreas Nagel
Das Urteil des BGH v. 8.3.2023 (1 StR 188/22) wirft ein Schlaglicht auf die Problematik der Scheinselbstständigkeit, die auch für freiberuflich tätige Steuerberater in Steuerkanzleien von großer Bedeutung ist. Die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung hat nicht nur sozialversicherungsrechtliche, sondern auch erhebliche strafrechtliche Konsequenzen.
Gesetzlicher Rahmen und Anwendungsbereich des § 266a StGB
§ 266a StGB ist ein zentraler Straftatbestand im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, der das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter Strafe stellt. Die Norm schützt die Interessen der Sozialversicherungsträger sowie der Arbeitnehmer und zielt darauf ab, eine gerechte und rechtzeitige Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sicherzustellen.
Täter können Arbeitgeber sein, die Arbeitnehmer beschäftigen oder selbstständige Personen beschäftigen, die wie Arbeitnehmer tätig sind (sog. arbeitnehmerähnliche Personen).
Der Haupttatbestand des § 266a Abs. 1 StGB bezieht sich auf das Vorenthalten von Beiträgen zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung, die der Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt einzubehalten und abzuführen hat. Neben dem Vorenthalten von Beiträgen umfasst § 266a StGB auch die Veruntreuung von Arbeitsentgelt.
Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen der Arbeitgeber die ihm vom Arbeitnehmer überlassenen oder bereits einbehaltenen Beiträge nicht ordnungsgemäß weiterleitet. Die Tat betrifft Beiträge, die für Zeiträume nach dem Gesetz fällig sind.
Die Strafen für Verstöße gegen § 266a StGB können erheblich sein. Sie reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren. In besonders schweren Fällen, z. B. gewerbsmäßigem Handel oder bei hohen Schadenssummen, kann die Freiheitsstrafe sogar bis zu 10 Jahre betragen.
Die Bedeutung von § 266a StGB im Kontext der Scheinselbstständigkeit ergibt sich aus der häufig problematischen Einordnung von Beschäftigungsverhältnissen. Arbeitgeber, die ihre Arbeitnehmer fälschlicherweise als selbstständige Freiberufler klassifizieren, um u. a. Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, können sich strafbar machen. Dies gilt insbesondere, wenn diese Fehlklassifikation dazu führt, dass die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden.
Vertragliche Gestaltung zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit
Die Gestaltung von Vertragsbeziehungen spielt eine zentrale Rolle bei der Bestimmung des Status eines Steuerberaters oder anderer Personen als selbstständige Unternehmer oder abhängig Beschäftigte.
Verträge entsprechend ausgestalten
Verträge sollten explizit die Erwartungen und Verantwortlichkeiten festlegen. Dies umfasst die Freiheit zur Auftragsannahme, Flexibilität in der Arbeitsgestaltung und klare Regelungen zur Vergütung auf Basis erbrachter Leistungen.
Verträge sollten das Unternehmerrisiko des Steuerberaters verdeutlichen. Dies bedeutet, dass der Steuerberater eine Vergütung erhält, die direkt mit seinem wirtschaftlichen Erfolg verknüpft ist, einschließlich der Möglichkeit, Verluste zu erleiden.
Der Vertrag sollte die fachliche Unabhängigkeit und Selbstständigkeit des Steuerberaters betonen, insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten und des Arbeitsorts.
Strafrechtliche Implikationen der Scheinselbstständigkeit
Die strafrechtlichen Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit sind gravierend: Nach § 266a StGB kann das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, das durch falsche Klassifizierung eines Arbeitnehmers als Selbstständigen entsteht, zu strafrechtlicher Verantwortung führen. Dies beinhaltet:
- Arbeitgeber, welche die tatsächliche abhängige Beschäftigung ihrer Mitarbeiter als freie Mitarbeit deklarieren, können strafrechtlich belangt werden, wenn sie die fälligen Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen.
- Die Strafzumessung berücksichtigt das Ausmaß der vorenthaltenen Beiträge und die Dauer der Beschäftigung unter falschen Voraussetzungen. Die Strafen können von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen reichen, abhängig vom Grad des Verschuldens und der Höhe der vorenthaltenen Beiträge.
Auf die Revision des Angeklagten hob der BGH das Urteil des LG Traunstein v. 14.1.2022 (6 KLs 280 Js 102098/16) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittel – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Präventionsmaßnahmen in Steuerkanzleien
Um strafrechtlichen Konsequenzen vorzubeugen und eine klare rechtliche Position zu schaffen, sollten Steuerkanzleien präventive Maßnahmen ergreifen.
Missverständnisse und rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden
Kanzleien sollten sicherstellen, dass ihre Vertragspraktiken regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um den sich ändernden rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Die regelmäßige Schulung von Führungskräften und Personalverantwo...