Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Ulrike Geismann
Für die Vertretung seines Mandanten im Vorverfahren erhält ein Rechtsanwalt nach Nr. 2300 VV RVG eine Geschäftsgebühr, die mit einem Gebührensatz von 0,5 bis 2,5 berechnet werden kann. Während in durchschnittlichen Rechtssachen regelmäßig eine Gebühr von 1,3 anfällt, kann der Rechtsanwalt eine darüber hinausgehende Gebühr nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, also über dem sog. Durchschnittsfall lag. Der Steuerberater erhält für die Vertretung im Rechtsbehelfsverfahren vor Verwaltungsbehörden ebenfalls eine Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5 einer vollen Gebühr nach Tabelle E. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann auch er nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (§ 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 StBVV).
In HHG 8/2018 hatten wir berichtet, dass die Bearbeitung eines Steuerfalls, der die Befassung mit schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen erforderlich macht, eine Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 rechtfertigt.
Bei der Bestimmung der Geschäftsgebühr und der Prüfung, ob die Tätigkeit des Rechtsanwalts oder Steuerberaters durchschnittlich oder überdurchschnittlich war, sind indes alle tatsächlichen Gesichtspunkte zu würdigen, die für die Arbeit von Bedeutung sind. Die im Gesetz genannten Kriterien, wie der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, beschreiben nämlich keinen abschließenden Katalog der zu berücksichtigenden Kriterien, sondern geben lediglich beispielhaft Kriterien wieder, die Einfluss auf die Arbeit des Rechtsanwalts oder Steuerberaters haben können. Kann der Rechtsanwalt oder Steuerberater erhebliche Synergieeffekte dadurch erzielen, dass zahlreiche Einspruchsverfahren gleichgelagert sind, muss er dies bei der Berechnung der Höhe der Geschäftsgebühr berücksichtigen (FG Bremen, Beschluss v. 15.11.1993, 2 93 077 E 2, EFG 1994, S. 313).
Durchschnittsfall trotz überdurchschnittlicher Schwierigkeit wegen Synergieeffekten?
Das FG Hamburg hatte in einem Erinnerungsverfahren darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 wegen überdurchschnittlicher Schwierigkeit des Steuerfalls vorlagen.
Die Klägerin hatte sich in der Hauptsache gegen die Entrichtung von Kernbrennstoffsteuer gewandt. Das hier in Rede stehende Hauptsacheverfahren ruhte bis zur Entscheidung des BVerfG in dem Normenkontrollverfahren 2 BvL 6/13. Nachdem das Hauptzollamt die angefochtene Steueranmeldung wegen der Entscheidung des BVerfG (Beschluss v. 13.4.2017, 2 BvL 6/13, BGBl 2017 I, S. 1877), wonach das Kernbrennstoffsteuergesetz mit Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG unvereinbar und nichtig ist, aufgehoben hatte, erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt.
Die Klägerin wandte sich im Erinnerungsverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Gerichts, der die Geschäftsgebühr lediglich mit der Regelgebühr von 1,3 angesetzt hatte.
Das FG Hamburg (Beschluss v. 25.1.2018, 4 K 85/17, EFG 2018, S. 686) vertritt die Auffassung, dass vorstehend nur von einem Durchschnittsfall auszugehen ist, der lediglich den Ansatz der 1,3-fachen Regelgebühr rechtfertigt. Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 erscheint dem FG unter Einbeziehung aller Umstände, die die Arbeit des Rechtsanwalts ausmachten, unbillig i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG.
Der Senat (vgl. Beschluss v. 22.1.2018, 4 K 84/17, EFG 2018, S. 683) hatte dem Prozessbevollmächtigten in dem (parallelen) Hauptsacheverfahren, das "Auslöser" für das Normenkontrollverfahren 2 BvL 6/13 war, wegen der Befassung mit schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen zwar eine erhöhte Geschäftsgebühr von 2,5 zugestanden (vgl. hierzu im Einzelnen HHG 8/2018), jedoch ist im vorliegenden Rechtsstreit auch zu würdigen, dass der Rechtsanwalt erhebliche Synergieeffekte durch eine beträchtliche Anzahl rechtlich gleichgelagerter Einspruchsverfahren erzielen konnte.
Die durch die Parallelität der Sachverhalte und rechtlichen Fragestellungen bedingte ganz erhebliche Reduzierung des zeitlichen Aufwands für das konkrete Einspruchsverfahren ist im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung aller Umstände maßgeblich zu berücksichtigen. Die erzielten Synergieeffekte strahlten auch auf die rechtliche Schwierigkeit des Einspruchsverfahrens aus, da der Rechtsanwalt die einmal erarbeiteten Rechtskenntnisse auf die anderen Einspruchsverfahren ohne Weiteres übertragen konnte. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass alle – und somit auch das vorliegende – Einspruchsverfahren hinsichtlich ihres Umfangs oder ihrer Schwierigkeit überdurchschnittlich waren.
Geschäftsgebühr für jedes einzelne Einspruchsverfahren fordern
Gleichgelagerte Einspruchsverfahren stellen jeweils eigenständige Verfahren dar. Hieraus folgt, dass ein Prozessbevollmächtigter eine Geschäftsgebühr für jedes einzelne Einspruchsverfahren fordern kann. Allerdings folgt aus der Eigen...