Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Dr. Dario Arconada Valbuena
Die Novellierung des Postgesetzes, welche ab dem 1.1.2025 Anwendung findet, zielt darauf ab, den postalischen Universaldienst den heutigen Anforderungen anzupassen. Eine zentrale Änderung ist die Verlängerung der Brieflaufzeiten, die erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Bereiche haben wird, einschließlich der steuerlichen Aspekte und Fragen der sog. Zustellfiktion. Diese Anpassungen betreffen Änderung des Umsatzsteuergesetzes sowie der Abgabenordnung und werfen die Frage auf, ob die bisherigen Annahmen zur Zustellung von Verwaltungsakten weiterhin gelten können.
Verlängerung der Brieflaufzeiten
Mit der Novelle des Postgesetzes werden die Laufzeiten für Standardbriefsendungen im Universaldienst angepasst. Künftig müssen Standardbriefe erst zu 95 % am dritten Werktag (E+3-Quote, 95 %) und zu 99 % am vierten Werktag (E+4-Quote 99 %) den Empfänger erreichen. Diese Verlängerung der Laufzeiten soll Kosten senken und gleichzeitig die sog. Nachhaltigkeit der Zustellung erhöhen, indem z. B. auf klimaschädliche Nachtflüge verzichtet wird.
Von der 3-Tages-Fiktion zur 4-Tages-Fiktion
Die Anpassung der Laufzeiten hat auch steuerrechtliche Implikationen. Durch die längeren Zustellzeiten können steuerliche Prozesse, die auf die Zustellung angewiesen sind, verzögert werden. Dies betrifft insbesondere die Bekanntgabe von Steuerbescheiden und anderen Verwaltungsakten. Die Abgabenordnung wird entsprechend angepasst, um der verlängerten Postlaufzeit Rechnung zu tragen. Konkret wird die gesetzliche Bekanntgabevermutung bei Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts im Inland durch die Post von 3 Kalendertagen auf 4 Werktage verlängert.
Die bisherige Zustellfiktion, die davon ausging, dass ein Brief nach 3 Tagen als zugestellt gilt, wird aufgrund der verlängerten Laufzeiten modifiziert. Künftig wird angenommen, dass ein Verwaltungsakt 4 Werktage nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt. Diese Anpassung ist notwendig, um die Rechtssicherheit und die Einheitlichkeit in den Verwaltungsverfahrensordnungen zu gewährleisten.
Die Änderungen in der Abgabenordnung betreffen insbesondere den § 122 AO, welcher die Bekanntgabe von Verwaltungsakten regelt. Hier werden die Fristen für die Zustellfiktion von 3 Kalendertagen auf 4 Werktage verlängert. Diese Anpassung soll sicherstellen, dass die steuerpflichtigen Personen durch die verlängerten Zustellzeiten keine Nachteile erfahren. Zusätzlich wird klargestellt, dass § 108 Abs. 3 AO, der eine Fristenregelung enthält, in diesem Zusammenhang nicht mehr anzuwenden ist.
Auf die neuen Fristen einstellen
Die Verlängerung der Laufzeiten und die Anpassung der Zustellfiktionen haben mehrere praktische Auswirkungen. Zum einen wird die Verwaltung in der Lage sein, Verwaltungsakte und Steuerbescheide unter den neuen Bedingungen weiterhin rechtssicher zuzustellen.
Zum anderen wird es für die Steuerpflichtigen sowie ihre Steuerberater wichtig sein, sich auf die neuen Fristen einzustellen. Dies gilt insbesondere für fristgebundene Verfahren, wie Einspruch oder Klage, bei denen die Zustellung von Dokumenten eine entscheidende Rolle spielt.
Fazit
Die Novelle des Postgesetzes und die damit einhergehenden Änderungen der Abgabenordnung stellen eine notwendige Anpassung an die heutigen Anforderungen der Postdienste dar. Die Verlängerung der Laufzeiten bringt Herausforderungen mit sich, insbesondere im Hinblick auf die steuerlichen Prozesse und die Zustellfiktion. Durch die Anpassung der Fristen in der Abgabenordnung wird jedoch sichergestellt, dass die Rechtssicherheit und die Effizienz der Verwaltungsverfahren gewahrt bleiben. Die verlängerten Zustellzeiten und die damit verbundenen Änderungen bieten zudem die Möglichkeit, den postalischen Universaldienst nachhaltiger und kosteneffizienter zu gestalten.
Autor: RA/FA StR Dr. Dario Arconada, LL.M., Hannover, www.steuerberatung-niedersachsen.de