Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Dr. Andreas Nagel
Die Steuerberatervergütung richtet sich vorrangig nach der StBVV. Soweit die StBVV für die Gebühren einen Rahmen vorsieht, bestimmt der Steuerberater die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, v. a. des Umfangs und der Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Steuerberaters kann bei der Bemessung herangezogen werden (§ 11 Satz 1 und 2 StBVV).
Stellt sich die durch den Steuerberater getroffene einseitige Leistungsbestimmung nach § 315 BGB als unbillig dar, ist der Steuerberater um den überschießenden Teil ungerechtfertigt bereichert.
Es kommen auch andere Umstände in Betracht
Da es sich bei den in § 11 StBVV genannten Gebührenbestimmungsfaktoren nur um eine beispielhafte Aufzählung handelt, und der Steuerberater die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung „aller Umstände” bestimmen muss, kommen auch andere Umstände in Betracht.
Weitere unbenannte Merkmale
Besondere Zusatzqualifikationen des Steuerberaters, z. B. als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Fachberater oder spezielle Branchenkenntnisse können sich im Einzelfall – insbesondere, wenn es im konkreten Mandat auf die Qualifikation ankommt – gebührenerhöhend auswirken. Die Qualifikation des Steuerberaters ist für das Merkmal „Schwierigkeit” zwar unerheblich. Aber gerade der besonders qualifizierte Steuerberater kann den Auftrag routiniert und damit für den Mandanten effektiv erledigen. Diese besondere Effektivität ist deshalb bei Satzrahmengebühren als weiterer ungeschriebener Gebührenbestimmungsfaktor zu berücksichtigen (vgl. Feiter, StBVV-Kommentar, § 11 StBVV Rz. 9, Stand: 5.2.2021).
Besondere Reputation im Anwaltsrecht
Im Anwaltsrecht ist auch die Stellung bzw. eine besondere Reputation als gebührenerhöhender Umstand anerkannt (vgl. Schneider/Wolf, 8. Aufl. 2017, § 14 RVG Rz. 55). Der BGH (Urteil v. 4.2.1990, IX ZR 18/09) vertritt hierzu die Ansicht, dass ein besonders hohes Honorar auch dann angemessen sein kann, wenn "… ein bundesweit renommierter Rechtsanwalt mit dem Hintergrund einer Großkanzlei in einem besonders schwierigen Mandat tätig werden soll …" und "… ein Mandant sein Einverständnis mit in Großkanzleien üblichen Stundensätzen …" erklärt.
Relevanz auch bei Steuerberatern?
Das LG Dortmund (Urteil v. 20.5.2020, 7 O 185/15) hatte sich in einem Honorarstreit (auch) mit der Frage zu befassen, ob bei der Bestimmung der Gebührenhöhe die Reputation und Stellung der beauftragten Steuerkanzlei zu berücksichtigen ist.
In dem Ausgangssachverhalt forderte die Klägerin – eine kleine Kapitalgesellschaft, die Nahrungsergänzungsmittel entwickelte und vertrieb – den in einem Zeitraum von etwa 10 Jahren für sie tätigen Steuerberater zur Rückzahlung zu viel gezahlter Honorare für die Jahre 2008 bis 2012 auf. Nachdem sie mit dem Steuerberater keine Einigung hierüber erzielte, beschritt sie den Klageweg und trug vor, dass die für die Tätigkeiten angesetzten Gebühren allesamt überhöht seien.
Das LG Dortmund hat der Klägerin teilweise Recht gegeben und ihr gegen den Steuerberater einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen zu hoch abgerechneten Steuerberaterhonorars zugesprochen.
Das Gericht hat in den Entscheidungsgründen u. a. ausgeführt, dass es die Einpreisung einer etwaigen, hohen Reputation eines Steuerberaters bei der Bestimmung der Gebührenhöhe nur dann überhaupt für möglich hält, wenn diese hohe Reputation dem Mandanten, etwa durch eine effektivere Leistungserbringung, zugutekomme. Diesen besonderen Nutzen habe es im Streitfall jedoch nicht feststellen können.
Grundsätze auf das Gebührenrecht der Steuerberater übertragbar
Das LG Dortmund hat die für die anwaltschaftliche Beratungspraxis aufgestellten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil v. 4.2.1990, IX ZR 18/09; ebenso Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston v. 10.3.2016 im Verfahren C-543/14, Rn. 85) in Anbetracht der Vergleichbarkeit der Berufe (unausgesprochen) auf das Gebührenrecht der Steuerberater für übertragbar gehalten. M. E. hat das Gericht demzufolge allerdings zu Recht entschieden, dass im Streitfall ein besonderer Nutzen nicht erkennbar gewesen sei.
Da der Steuerberater die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu bestimmen hat, hat das Gericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb im Zeitraum der Leistungserbringung durch den Steuerberater nur in geringem Umfang aufrechterhalten hatte und es im Durchschnitt zu weniger als zwei Geschäftsvorfällen im Monat kam. Demzufolge war die Klägerin auch von der Verpflichtung zur Abgabe von monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen befreit und gab lediglich eine Umsatzsteuerjahreserklärung ab. Darüber hinaus waren in allen Jahren weniger als jeweils 400 Buchungen jährlich vorzunehmen, von denen ca. ein Drittel auf die "Kasse" mit der Verbuchung von Tankquittungen entfielen. Auch...