Dipl.-Betriebsw. Thorsten Hesse, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Zusammenfassung
Wahrscheinlich hindert Sie ein schlechtes Gewissen daran, ähnlich hohe Honorare wie Rechtsanwälte oder Unternehmensberater zu verlangen. Allerdings ist trotz herausfordernder Zeiten die Überarbeitung Ihrer Honorarstrategie dringend notwendig: Der Fachkräftemangel und steigende Personalkosten zwingen Sie als Kanzleiinhaber dazu, Ihre Preisgestaltung zu überdenken, um Investitionen in digitale Technologien zu ermöglichen und damit wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei bieten eine konsequente Abrechnung von Zusatz- und Nebenleistungen sowie das Ausnutzen der Regelungen der Steuerberatervergütungsverordnung erhebliche Potenziale zur Umsatzsteigerung. Überraschend oft akzeptieren Mandanten Preisanpassungen, wenn sie gut begründet sind. Eine durchdachte Honorarstrategie kann zu einem deutlichen Umsatzplus führen und sollte behutsam in zwei Stufen umgesetzt werden: Zunächst einfache Maßnahmen ergreifen, um anschließend eine detaillierte Dienstleistungskatalogisierung vorzunehmen. Wie Sie das in die Praxis umsetzen, und warum genau jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Überprüfung und Anpassung Ihrer Honorarstrategie ist, um die Zukunftsfähigkeit der Kanzlei zu sichern und finanziell gut aufgestellt zu sein, erläutert Ihnen Thorsten Hesse, der von Sehnsüchten, Anekdoten und Irrtümern aus seinem reichen Erfahrungsschatz erzählt.
1 Honorarpolitik: Sehnsüchte, Anekdoten und Irrtümer zur Honorargestaltung und -durchsetzung
Seit über 10 Jahren unterstütze ich Steuerberatungskanzleien bei der (Weiter-)Entwicklung ihrer Honorarstrategie und beobachte regelmäßig eine gewisse Sehnsucht, ebenso konsequent und hoch abzurechnen wie Rechtsanwälte, Notare und Unternehmensberater dies tun.
Dem entgegen steht ein schlechtes Gewissen, weil der eingebrachte zeitliche Aufwand in einem gefühlten Missverhältnis zu den Regelungen des Vergütungsrechts steht ("Ich kann doch nicht für eine Stunde Arbeit 350 EUR abrechnen."). Außerdem leben wir in herausfordernden Zeiten (u. a. schwierige konjunkturelle Lage, Fachkräftemangel, Überregulierung und Bürokratie) in denen Preisanpassungen/-erhöhungen vielleicht etwas Unmoralisches in sich tragen könnten.
Schlussendlich bestätigen mir immer wieder Vertreter des Berufsstands, dass sie nicht gerne über Preise sprechen und die Sorge besteht, dass die Mandatsbeziehungen leiden oder es gar zu Kündigungen kommen könnte.
Was bewegt Kanzleien aktuell, sich dennoch mit ihrer Honorarstrategie und Preisgestaltung zu beschäftigen?
Zunächst beobachten wir einerseits einen wachsenden Kostendruck in der Branche. Der Fachkräftemangel verschärft sich zunehmend und führt zu steigenden Personalkosten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Kanzleiwert zu erhalten oder gar zu steigern – insbesondere auch im Hinblick auf eine mögliche Kanzleinachfolge – sind Investitionen in digitale Technologien unerlässlich. Der Aufbau digitaler Kompetenzen erfordert zudem eine kontinuierliche Weiterbildung.
Ohnehin bestätigen Kanzleiinhaber, dass der administrative Aufwand seit Jahren steigt und der Anteil der verrechenbaren Stunden zurückgeht. Und auch das Geschäftsmodell steht aktuell auf dem Prüfstand: Die zukünftigen technischen und rechtlichen Entwicklungen im Zuge von KI und E-Rechnung können perspektivisch zu einer Veränderung der Erlösstruktur führen und die schon lange prophezeite wachsende Bedeutung der Beratung Wirklichkeit werden lassen.
Was können Kanzleien tun, um ihre Ertragslage zu verbessern?
Ein Mehr an Mandantenaufträgen und effiziente Prozesse können den Ertrag einer Kanzlei positiv beeinflussen. "Doch die stärkste Wirkung auf Gewinne und Verluste haben Preissteigerungen oder -senkungen" sagen Hermann Simon und Martin Fassnacht in ihrem Buch "Preismanagement".
In der Steuerberatungsbranche ergibt sich neben der Erhöhung der Honorare – nicht selten erfahre ich, dass Preise mitunter seit Jahren nicht angepasst wurden – ein weiterer Hebel durch eine konsequente Abrechnung der erbrachten Leistungen. Viele Kanzleien haben das Gefühl, dass Sie bei der Fakturierung ihrer Leistungen Geld verschenken.
Die Gründe hierfür liegen darin – so bestätigt es sich in unseren Beratungen bei der Analyse des Abrechnungsverhaltens – dass Zusatz- und Nebenleistungen nicht konsequent erfasst und fakturiert werden (z. B. telefonische Beratung, Einrichtung digitale Buchhaltung z. B. mit DATEV Unternehmen online). Zudem werden die Möglichkeiten der StBVV nicht konsequent ausgenutzt (z. B. Auslagenersatz, Bescheidprüfung).
Auslagenersatz
Eine Kanzlei betreut rd. 500 Finanzbuchhaltungsmandate und rechnet diese nach Gegenstandswert und Zehntelsatz ab. Bisher wurde kein Auslagenersatz angesetzt. Bei der Ermittlung des Honorarpotenzials haben wir mit 6.000 Aufträgen pro Jahr kalkuliert (pro Monat ein separater Auftrag) und diese mit 20 EUR multipliziert. Es ergibt sich somit ein jährlich wiederkehrendes Zusatzhonorar i. H. v. 120.000 EUR.
Erhebliche Honorarpotenziale
Bei der Analyse des aktuellen Abrechnungsverhaltens im Hinblick auf mögliche Honorarpotenziale identifizieren wir in unseren Beratungen einen möglichen Mehrumsa...