Jürgen Berners, Dr. Dario Arconada Valbuena
In der Praxis kommt es häufig vor, dass mehrere Einsprüche gleichzeitig einzulegen sind. Nicht nur, weil ein Steuerbescheid aus mehreren Verwaltungsakten besteht, sondern weil es vielfach Fälle gibt, in denen unter demselben Datum mehrere Steuerbescheide für den Mandanten ergehen. Ein Beispiel dafür sind Änderungsbescheide nach Abschluss einer Betriebsprüfung. An dieser Stelle kommt die Frage auf, ob es sich bei Einsprüchen gegen die Steuerbescheide, zusammengefasst in einem Schreiben, um "dieselbe Angelegenheit" nach § 10 Abs. 2 StBVV i. V. m. § 40 StBVV handelt, oder ob es sich um unterschiedliche Angelegenheiten handeln könnte.
Einspruch durch den Steuerberater
Der Steuerberater wird nach abgeschlossener Betriebsprüfung beauftragt, Einspruch gegen die vom Finanzamt geänderten Bescheide 2013-2016 einzulegen. Dabei handelt es sich um Änderungsbescheide hinsichtlich der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer sowie Änderungen des Gewerbesteuermessbetragsbescheids (Grundlagenbescheid).
Abwandlung: Auch gegen den wenige Wochen später ergangenen Gewerbesteuerbescheid rät der Steuerberater, Einspruch einzulegen. Der Mandant erteilt entsprechenden Auftrag.
In der Rechtsprechung wird vertreten, dass nur eine Geschäftsgebühr nach § 40 StBVV i. V. m. § 10 Abs. 2 StBVV für alle Einsprüche nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO erstattungsfähig sei. Dabei müssen die einzelnen Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet werden, da es sich i. S. v. § 10 Abs. 2 StBVV um dieselbe Angelegenheit handle, auch wenn diese tatsächlich aus mehreren Gegenständen besteht.
Dementsprechend sind auch derartig gleichgerichtete Einsprüche gegen verschiedene, aufgrund eines einheitlichen Lebensvorgangs erlassene Steuerbescheide gebührenrechtlich trotz verschiedener Gegenstände oder Auftraggeber nur eine Angelegenheit mit einer Geschäftsgebühr (vgl. z. B. FG Düsseldorf, Urteil v. 8.9.2011, 10 K 3255/09 Kg, EFG 2012, S. 662; FG Baden-Württemberg, Beschluss v. 12.6.2014, 8 KO 1022/12). Ähnlich wird dies auch in anderen Gerichtszweigen gesehen. Dabei betrifft die Rechtsprechung jedoch meist Rechtsanwälte, die häufiger als Steuerberater vor Gericht auftreten. So urteilte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, dass Widerspruchsverfahren gegen gesondert ergangene Bescheide dennoch nur eine Angelegenheit i. S. d. § 15 RVG sein können (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.12.2017, L 25 AS 1337/1).
Fraglich ist, ob die Rechtsprechung tatsächlich auf jeden Einzelfall übertragbar ist. Denn das Ergebnis wäre, dass nach § 10 Abs. 2 StBVV die Werte mehrerer Gegenstände (fast immer) zusammengerechnet werden müssten. Dadurch würden die Gebühren deutlich geringer ausfallen, als wenn jeder Einspruch eine gesonderte Angelegenheit darstellen würde. Daneben hätte dies zur Folge, dass die Gebühr nach § 16 StBVV nur einmal anzusetzen wäre. Vor diesem Hintergrund lohnt sich eine differenzierende Auseinandersetzung mit dem Begriff "derselben Angelegenheit" nach § 10 Abs. 2 StBVV und § 16 Satz 2 StBVV.
Das OLG Köln (OLGR 1999, S. 220) hat den Begriff der Angelegenheit zusammenfassend in einem Leitsatz zum damaligen § 13 BRAGO wie folgt definiert: "Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne von § 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Für die Frage, wann von einer einzigen Angelegenheit auszugehen ist oder wann mehrere Angelegenheiten vorliegen, ist insbesondere der Inhalt des dem Anwalt erteilten Auftrages maßgebend. In der Regel betreffen die weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Mühewaltung gesprochen werden kann."
Die vorstehende Definition ist weitgehender Konsens in Rechtsprechung und Literatur (m. w. N. Schneider/Wolff, in: § 15 RVG, Rz. 23). Danach sind 3 Kriterien für die Beurteilung maßgebend:
Der Tätigkeit des Steuerberaters
- muss ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegen,
- sie muss sich im gleichen Rahmen halten und
- zwischen den einzelnen Handlungen und/oder Gegenständen der steuerberatenden Tätigkeit muss ein innerer Zusammenhang (sog. objektiver Zusammenhang) bestehen.
Ob es sich um dieselbe Angelegenheit handelt, ist entscheidend
Wenn alle 3 Voraussetzungen erfüllt sind, ist gebührenrechtlich von "derselben Angelegenheit" auszugehen. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass wenn bereits eine der vorgenannten Voraussetzungen fehlt, es sich zwangsläufig um zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten i. S. d. StBVV handeln muss.
Im Beispiel wird man dazu kommen, dass der Mandant einen einheitlichen Auftrag für die Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen (Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer) nach Betriebsprüfung erteilt hat. Damit liegt die erste Vo...