Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Dr. Andreas Nagel
Frage:
Ich habe ein bestehendes Einkommensteuer-Mandat hinsichtlich einer zu erwartenden Abfindung als Arbeitnehmer beraten. Wir hatten zwei Besprechungstermine, mit einer Zeitdauer von insgesamt etwa 2 Stunden.
Wie kann ich dies abrechnen, nach Zeit oder nach Gegenstandswert (Höhe der Abfindung? Höhe der Steuer?)?
Antwort:
Beratungen zu Abfindungen sind grundsätzlich nach § 21 Abs. 1 StBVV und damit nicht nach Zeit, sondern nach Gegenstandswert abzurechnen. Gegenstandswert ist nach § 10 Abs. 1 StBVV der Wert des Interesses. Die Bestimmung des Gegenstandswerts ist problematisch: Teilweise stellt die Rechtsprechung auf die steuerlichen Auswirkungen ab. Andererseits wird – wohl überwiegend – auf die wirtschaftliche Bemessungsgrundlage abgestellt, unabhängig von den steuerlichen Auswirkungen ("Bruttoprinzip"; zur Thematik vgl. Feiter, eKommentar StBVV, § 21, Rz. 10 m. w. N., Stand: 1.7.2020).
Wann das Bruttoprinzip Sinn macht
Das Bruttoprinzip macht insbesondere dann Sinn, wenn es aufgrund von Steuerbefreiungen zu keiner steuerlichen Auswirkung kommt (z. B. bei Beratungen zur Erbschaftsteuer), da sonst ein Gegenstandwert von 0 EUR entstünde.
Bei einer Abfindungsberatung kann also sowohl die potenziell für die Abfindung drohende Steuer (vor Beratung) als Gegenstandswert i. S. v. § 21 Abs. 1 StBVV herangezogen werden, also auch die Höhe der Abfindung als solche. Bei letzterem ist bei Bestimmung der Gebühr jedoch der Grundsatz der Angemessenheit zu beachten (§ 64 Abs. 1 Satz 3 StBerG).
Würde die Anwendung des Bruttoprinzips zu einer unangemessen hohen Gebühr führen, die auch nicht durch die Wahl eines niedrigeren Rahmensatzes ausgeglichen werden kann, empfiehlt sich beim Gegenstandswert auf die steuerlichen Auswirkungen abzustellen.
Wann Rat und Auskunft zu einer eigenständigen Gebühr führen
Zu beachten ist, dass Rat und Auskunft nach § 21 Abs. 1 StBVV nur dann zu einer eigenständigen Gebühr führen, wenn sie nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen. Viele steuerliche Fragestellungen tauchen im Zusammenhang mit der Finanz- und Lohnbuchführung oder bei Anfertigung der Steuererklärungen bzw. Aufstellung des Jahresabschlusses auf.
Wenn Steuerberater bereits mandatiert sind, wie hier offenbar auch, ist die Beantwortung derartiger Fragen des Mandanten grundsätzlich mit der Gebühr für diese Tätigkeit abgegolten und kann nicht gesondert nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StBVV berechnet werden.
Ob in Ihrem Fall die Beratung im Zusammenhang mit der zu erstellenden Einkommensteuererklärung erfolgte, oder eine darüber hinausgehende Beratung erforderlich war, lässt sich "aus der Ferne" nicht beurteilen. Jedenfalls ist in solchen Fällen oftmals eine Vereinbarung nach § 4 StBVV das Mittel der Wahl, da solche Honorare grundsätzlich nicht auf spätere Tätigkeiten anzurechnen sind. Außerdem kann in der Honorarvereinbarung ein Gegenstandswert definiert werden oder es wird eine Abrechnung nach Zeit mit einem Stundensatz vereinbart oder ein Honorar i. H. v. x % (z. B. 1-2 %) der Abfindung.
Autor: Simon Beyme, StB/Syndikus-RA/FA f. StR/ Ldw. Buchstelle, Geschäftsführer Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg e. V., Berlin