Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Ulrike Geismann
Nach erfolgreicher Revision vor dem BFH kommt es häufig zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Nach Abschluss des zweiten Rechtszugs stellt sich für den Prozessbevollmächtigten im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die Frage, wie der erste und der zweite Rechtszug vor dem FG gebührenrechtlich zu behandeln sind.
In Verfahren vor den Finanzgerichten entsteht gem. Nr. 3200 VV RVG eine Verfahrensgebühr i. H. v. 1,6. Gem. § 15 Abs. 1 RVG wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts bzw. Steuerberaters vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit mit der Gebühr entgolten. Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug (§ 21 Abs. 1 RVG).
Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das bereits mit der Sache befasst war, die vor diesem Gericht bereits entstandene Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen. Hintergrund der Regelung ist, dass sich nach einer Zurückverweisung der Prozessbevollmächtigte nicht erneut in die Sache einarbeiten muss, sodass keine Rechtfertigung für den Ansatz von 2 vollen Verfahrensgebühren besteht. Ist der frühere Auftrag allerdings seit mehr als 2 Kalenderjahren erledigt, gilt gem. § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, und die im RVG bestimmten Anrechnungen von Gebühren entfallen.
Die Finanzverwaltung vertritt unter Hinweis auf eine Entscheidung des FG Köln (Beschluss v. 7.8.2012, 10 Ko 783/11, EFG 2012, S. 2237) die Auffassung, dass § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG nicht einschlägig sei, wenn der Rechtsanwalt zwischen erstem und zweitem Rechtszug auch mit der Revision befasst gewesen sei, weil er in diesem Fall durchgängig materiell-rechtlich mit der Angelegenheit betraut gewesen sei. Eine neue Einarbeitung müsse dementsprechend nicht honoriert werden.
Eine andere Auffassung vertritt offenbar das FG Baden-Württemberg (Beschluss v. 10.3.2011, 11 KO 5287/08), ohne dass die entsprechenden Ausführungen entscheidungserheblich waren, da zwischen der Beendigung des ersten Rechtszugs und der Zurückweisung keine 2 Kalenderjahre lagen.
Das FG Köln (Beschluss v. 1.2.2019, 2 Ko 32/19, EFG 2019, S. 816) hat sich nunmehr (erneut) mit der Problematik auseinandergesetzt und Folgendes entschieden:
„Erhält ein Prozessbevollmächtigter unmittelbar hintereinander anschließend die Aufträge zur Betreuung des Mandanten während des gesamten Verfahrens (Verfahren vor dem FG, anschließend Revisionsverfahren, anschließend – nach Zurückverweisung – im zweiten Rechtszug Verfahren vor dem FG), liegt keine längere Unterbrechung vor, die es notwendig macht, sich wieder erneut in den Streitstoff einzuarbeiten. Eine solche Unterbrechung ist aber Voraussetzung dafür, dass eine Anrechnung der Verfahrensgebühren aufeinander unterbleibt.”
§ 15 Abs. 2 Satz 2 RVG ist Ausnahmevorschrift
Das FG Köln führt hierzu aus, dass § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG eine Ausnahmevorschrift darstellt. Nach dieser Vorschrift komme eine Anrechnung nicht (mehr) in Betracht, wenn ein früherer Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt sei. Die zivilrechtliche Rechtsprechung habe unter Berufung auf diese Vorschrift ein Unterbleiben der Anrechnung in den Fällen bejaht, in denen zwischen der Entscheidung des ersten Rechtszugs und der Zurückverweisungsentscheidung der Folgeinstanz mehr als zwei Kalenderjahre vergangen gewesen seien. Für die Fälle der Zurückverweisung durch den BGH entspreche dies offenkundig auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG, da der Prozessbevollmächtigte des ersten Rechtszugs nicht der Prozessbevollmächtigte des Revisionsverfahrens sei, weil in Zivilsachen vor dem BGH nur besonders zugelassene Rechtsanwälte tätig werden dürften, und er daher tatsächlich nach Ablauf von 2 Jahren sich letztlich neu in die Materie einarbeiten müsse.
Im Streitfall hätten die Prozessbevollmächtigten zunächst den Auftrag erhalten, ein Verfahren vor dem FG gegen die angefochtene behördliche Entscheidung zu betreuen. Danach hätten sie den Auftrag für eine neue Angelegenheit i. S. v. § 17 Nr. 1 RVG erhalten, nämlich die Betreuung des Revisionsverfahrens. Schließlich hätten sie den Auftrag erhalten, das Verfahren im zweiten Rechtszug vor dem FG zu betreuen. Zwar hätten zwischen der Erledigung des ersten Auftrags und der Beauftragung zur Betreuung des zweiten Rechtszugs mehr als 2 Kalenderjahre gelegen. Eine am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung von § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG gebiete es jedoch, hinsichtlich des "früheren Auftrags" nicht auf den Auftrag zur Betreuung in der ersten Instanz des ersten Rechtszugs abzustellen, sondern auf den Auftrag zur Betreuung im Revisionsverfahren, sodass ein Ausschluss der Anrechnung wegen Zeitablaufs nicht in Betracht komme.
Die Prozessbevollmächtigten hätten unmittelbar hintereinander anschließend die Aufträge erhalten, die Klägerin dauerhaft während des gesamten Ver...