Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Dr. Andreas Nagel
Die Betriebsprüfung ist ein Teil des Außenprüfungsdienstes der Steuerverwaltung. Daneben zählen die Lohnsteuer-Außenprüfung und die Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu den Außenprüfungsdiensten. Die Betriebsprüfung ist für die Finanzbehörden ein wesentliches Instrument, mit dem sie ihre Aufgabe erfüllen, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze festzusetzen und zu erheben.
Sie hat die für die Bemessung der Steuern maßgebenden Besteuerungsgrundlagen zugunsten wie auch zuungunsten der Steuerpflichtigen zu prüfen. Die Betriebsprüfung ist eine abschließende, nachträgliche Überprüfung des Steuerfalls und bezieht sich auf bestimmte Steuerarten und bestimmte Besteuerungszeiträume.
Außenprüfungen sind bei Steuerpflichtigen zulässig, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, die freiberuflich tätig sind oder sog. bedeutende Einkünfte ("Einkunftsmillionäre") erzielen. Bei den übrigen Steuerpflichtigen sind Außenprüfungen insbesondere dann zulässig, wenn für die Besteuerung erhebliche Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung im Finanzamt nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist.
Die Finanzbehörde hat angemessene Zeit, vor Prüfungsbeginn eine schriftlich oder elektronisch zu erteilende und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Prüfungsanordnung bekannt zu geben. Darin sind
- der Umfang der Außenprüfung,
- der voraussichtliche Prüfungsbeginn,
- der Name des Prüfers und
- der Prüfungsort
anzugeben (vgl. §§ 196, 197 AO).
Rechtsschutz
Gehen der Steuerpflichtige bzw. sein Steuerberater davon aus, die Prüfungsanordnung (oder eine sonstige Prüfungsmaßnahme) sei rechtswidrig, sind sie – insbesondere zur Geltendmachung eines sog. Verwertungsverbots in einem (späteren) Einspruchsverfahren gegen die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide – gehalten, diese Rechtswidrigkeit gesondert geltend zu machen.
Gegen Prüfungsverwaltungsakte, insbesondere die Prüfungsanordnung, ist dann der Einspruch einzulegen (§ 347 AO). Bleibt der Einspruch ohne Erfolg, kann gegen die Einspruchsentscheidung regelmäßig Anfechtungsklage erhoben werden (§ 40 Abs. 1 FGO). Verpflichtungsklage hingegen ist geboten, wenn die Behörde ein entsprechendes Begehren des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters, z. B. auf Verlegung des Prüfungsbeginns, abgelehnt hat.
Im Zweifel Prüfungsanordnung angreifen
Soll sichergestellt (oder zumindest offengehalten) werden, dass das Finanzamt an der späteren Verwertung seiner Prüfungserkenntnisse gehindert wird, ist im Zweifel die Prüfungsanordnung (sowie jede Verfahrensmaßnahme) mit dem einschlägigen Rechtsbehelf anzugreifen.
Bestimmung des Streitwerts
Die höchstrichterliche Rechtsprechung bestimmt den Streitwert in Verfahren über die Rechtmäßigkeit von Prüfungsanordnungen regelmäßig mit 50 % der "mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern" (vgl. BFH, Beschlüsse v. 17.9.1974, VII B 122/73, BStBl 1975 II, S. 197; v. 4.10.1984, VIII R 111/84, BStBl 1985 II, S. 257; v. 29.7.2009, VIII E 4/09, BFH/NV 2009, S. 1823). Dabei lassen sich in der Rechtsprechung die folgenden Fallgestaltungen unterscheiden:
- Ist die Außenprüfung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung noch nicht durchgeführt worden, sind die zu erwartenden Mehrsteuern im Einzelfall zu schätzen. Ist eine solche Schätzung nicht möglich, ist der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Auffangstreitwert anzusetzen (BFH, Beschlüsse v. 10.3.1988, VIII R 367/83, BFH/NV 1988, S. 515; v. 11.1.2011, VI E 11/10, BFH/NV 2011, S. 629).
- Ist die Außenprüfung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung bereits durchgeführt worden, ergeben sich die mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern aus den aufgrund der Außenprüfung geänderten Steuerfestsetzungen (BFH, Beschluss v. 28.8.1989, X E 4/89, BFH/NV 1990, S. 387).
- Hinsichtlich der Frage, wie zu verfahren ist, wenn das Finanzamt nach der Außenprüfung zwar bereits geänderte Steuerbescheide erlassen hat, diese aber – mit nicht von vornherein zu verneinenden Erfolgsaussichten – angegriffen worden sind, wird in der BFH-Rechtsprechung weiter differenziert (vgl. hierzu die Nachweise im Beschluss des BFH v. 20.5.2014, X E 1/14, BFH/NV 2014, S. 1387, unter II.2.c.).
Auffangstreitwert ist bestimmend
Das FG Hamburg (Beschluss v. 5.11.2019, 4 K 142/17, EFG 2019, S. 1928) wendet die ständige Rechtsprechung des BFH, nach der sich der Streitwert nach den mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern richtet, wenn die Außenprüfung bei Klageerhebung noch nicht durchgeführt bzw. abgeschlossen ist (vgl. oben), nicht an und hat entschieden, dass sich der Streitwert in diesen Fällen nach dem Auffangstreitwert bestimmt.
Hier gibt es nach Auffassung des FG Hamburg keine geeignete Schätzgrundlage, die § 40 GKG gerecht wird. Tragend ist für das Gericht hierbei der Gedanke des effektiven Rechtsschutzes. Er würde eingeschränkt, wenn bei Klageerhebung völlig offen wäre, wie hoch der Streitwert ist, weil ein Kläger sein Prozess(kosten)risiko nicht abschätzen könne. Dah...