Leitsatz
Bei Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts gem. § 10a Satz 2 GewStG ist in den Fällen des § 8 Abs. 4 KStG 1991 nicht nur die Höhe des jeweiligen Verlustbetrags, sondern auch die steuerliche Abzugsfähigkeit dieses Betrags nach Maßgabe der im Feststellungszeitpunkt geltenden Rechtslage für das spätere Abzugsjahr verbindlich festzulegen (Bestätigung des BMFSchreibens vom 16.4.1999, BStBl I 1999, 455, Tz. 35).
Normenkette
§ 8 Abs. 4 KStG , § 10d Abs. 3 EStG , § 10a GewStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine am 12.7.1990 gegründete GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Beteiligung an Unternehmen aller Art ist. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war R.
Im Einzelnen nahm die wirtschaftliche Entwicklung seit der Unternehmensgründung folgenden Verlauf:
Die Klägerin übernahm am 2.1.1991 sämtliche Geschäftsanteile der HB-GmbH zu einem Kaufpreis von 2,95 Mio. DM, den sie bei einer Sparkasse fremdfinanzierte. Die Beteiligung wurde bereits 1992 auf einen Erinnerungswert von 1 DM abgeschrieben. Da die Klägerin zur Tilgung der Darlehen nicht in der Lage war, führte das Anwachsen der Zinsverbindlichkeiten zu weiteren Verlusten. In dieser wirtschaftlichen Situation war ihr der Erwerb weiterer Beteiligungen unmöglich.
In ihrer Bilanz zum 31.12.1994 wies die Klägerin einen Kapitalfehlbetrag von 4.505.451,20 DM aus. Der körperschaftsteuerliche Verlustvortrag betrug 4.555.453 DM.
Mit notariellem Vertrag vom 29.6.1995 veräußerte R 60 % seiner Beteiligung an der Klägerin zu einem Kaufpreis von 50.000 DM an eine GmbH, die H-Steuerberatungs-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Prozessbevollmächtigte (S), ein WP und StB, war. Mit der Anteilsveräußerung beendete R seine Tätigkeit als Geschäftsführer. Neuer Geschäftsführer wurde X; S wurde zum Prokuristen berufen.
Ebenfalls am 29.6.1995 übertrug S seine Anteile an der H-Unternehmensberatungs-GmbH auf die Klägerin.
Zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerungen am 29.6.1995 waren die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Sparkasse auf 4.924.964,48 DM angewachsen. In einer mit R und seiner Ehefrau sowie mit S getroffenen Vereinbarung trat die Sparkasse gegen Zahlung von 200.000 DM diese Ansprüche an S ab. Gegenüber der Klägerin verzichtete S für das Jahr 1995 auf eine Verzinsung der auf ihn übergegangenen Forderungen.
Am 3.9.1996 veräußerte R an S die ihm noch verbliebene 40%ige Beteiligung an der Klägerin. In einer gesonderten Vereinbarung ist dazu allerdings bestimmt, dass S diesen Geschäftsanteil für R treuhänderisch halten sollte. Die Treuhandstellung sollte geheim gehalten werden.
Das FA versagte der Klägerin unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 KStG 1991 den Abzug der aufgelaufenen Verluste und setzte hiernach für das Streitjahr 1996 den Gewerbesteuermessbetrag fest. Der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.1996 wurde jeweils auf 0 DM festgestellt. Den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1995 hatte das FA durch bestandskräftige Bescheide vom 7.8.1996 auf 4.913.551 DM bzw. auf 4.086.226 DM festgestellt.
Entscheidung
Anders als vor dem FG (EFG 2002, 713) hatte die Klägerin vor dem BFH Erfolg. Da das FG in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen sei, dass die Klägerin ihre wirtschaftliche Identität bereits im Jahr 1995 nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 Satz 1 (nicht Satz 2!) KStG 1995 verloren habe, hätte das FA aus dieser Tatbestandsverwirklichung auch bereits zum 31.12. dieses Jahrs die Konsequenzen ziehen und die verbleibenden Gewerbeverluste in entsprechend reduziertem Umfang gem. § 10a Satz 2 GewStG feststellen müssen. Da das unterblieben sei, müsse es sich daran festhalten lassen.
Ein Verlustabzug lasse sich im Jahr 1996 nun nicht mehr bewerkstelligen. Denn festzustellen sei der Verlust in seiner steuerlichen "Wertigkeit", nicht nur in seiner nominellen Höhe.
Hinweis
1. In den letzten Jahren und Monaten musste der BFH sich immer mit den Rechtsfragen des Mantelkaufs und des damit verbundenen Verlustabzugsausschlusses gem. § 8 Abs. 4 KStG beschäftigen. Ausnahmslos waren dies Fragen der Auslegung und des Tatbestandsverständnisses der Vorschrift. Insofern sei auf die Hinweise in BFH-PR 2002, 16 verwiesen.
2. In der Sache stritten die Beteiligten auch in diesem Urteilsfall über solche materiellen Rechtsfragen. Allerdings war zusätzlich über eine Verfahrensfrage zu befinden, die mit den materiellen Fragen verknüpft ist: In welchem VZ und in welcher Weise ist verfahrensrechtlich über den Verlust des Verlustabzugs nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 KStG zu entscheiden und sind die Rechtsfolgen aus dieser Vorschrift zu ziehen? Geschieht dies im Rahmen eines Verlustfeststellungsbescheids (vgl. § 10d Abs. 3 EStG, § 10a Satz 2 GewStG) auf den Schluss des jeweiligen Wirtschaftsjahrs, in dem die Tatbestandsvoraussetzungen des Verlustabzugsausschlusses erstmals verwirklicht worden sind? Oder wird in einem solchen Bescheid bloß die Höhe der verbleibenden Verlustvorträge festgestellt, so dass für das FA in einem nachfolgenden VZ die jederzeitige Möglichkeit bleibt, den Verlust...