Leitsatz
Bezieht ein Unternehmer im Inland Leistungen, die er im Ausland für eine Grundstücksvermietung verwendet, ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu prüfen, ob die Grundstücksvermietung steuerfrei (vorsteuerabzugschädlich) wäre, wenn sie im Inland ausgeführt würde. Dies bestimmt sich nach den Vorschriften des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG und des § 9 UStG. Die Grundstücksvermietung wäre im Inland nicht steuerfrei gewesen, wenn der Grundstücksvermieter die Grundstücksvermietung im Ausland tatsächlich als steuerpflichtig behandelt hat und die Voraussetzungen des § 9 UStG für den Verzicht auf die Steuerbefreiung einer Grundstücksvermietung vorlagen (entgegen Abschn. 205 Abs. 1 UStR).
Normenkette
§ 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG , § 9 UStG , § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG
Sachverhalt
Eine GmbH & Co KG, ein inländischer geschlossener Immobilienfonds (Klägerin), erwarb zwei Bürogebäude in den Niederlanden. Diese Gebäude vermietete sie an andere Unternehmer und verzichtete für diese Umsätze auf die Umsatzsteuerfreiheit. Die Vermietungsumsätze wurden daher in den Niederlanden der Umsatzsteuer unterworfen. Die Klägerin führte im Inland keine umsatzsteuerbaren Leistungen aus. Sie machte Vorsteuerbeträge geltend, die ihr durch verschiedene inländische Dienstleister mit deutscher Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden waren.
Entscheidung
Der BFH gab der Klägerin Recht, soweit sie die Auslegung durch die UStR beanstandete.
Jedoch: Wahrscheinlich war es ein Rechtsstreit, der hätte vermieden werden können, wenn zuvor der Leistungsort geprüft worden wäre! § 15 Abs. 1 UStG setzt voraus: Bei der in den Rechnungen ausgewiesenen Steuer muss es sich um deutsche Umsatzsteuer handeln. Außerdem muss die ausgewiesene Steuer für den abgerechneten Umsatz geschuldet sein, d.h. der abgerechnete Umsatz muss also der deutschen Umsatzbesteuerung unterliegen. Das ist nicht der Fall, wenn der Leistungsort der bezogenen Leistungen – wie. z.B. die rechtliche Beratung zum Erwerb eines im Ausland belegenen Grundstücks gem. § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG – nicht im Inland ist.
Hinweis
Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für Leistungsbezüge, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) oder zur Ausführung von Umsätzen im Ausland verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Die Finanzverwaltung will bei der Prüfung, ob die Grundstücksvermietung (wäre sie in der Bundesrepublik erfolgt) steuerfrei gewesen wäre, lediglich die Vorschrift des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG, nicht aber die des § 9 UStG entsprechend anwenden (Abschn. 205 Abs. 1 UStR).
Für diese Einschränkung fehlt eine rechtliche Grundlage. Diese Auffassung widerspricht dem "Grundelement des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems", dass nur der Endverbraucher mit Steuer belastet werden soll und die Steuerverwaltung letztlich keinen Steuerbetrag erheben darf, der den vom Endverbraucher gezahlten übersteigt. Das Neutralitätsprinzip wird zwar durch die in § 15 Abs. 2 UStG aufgeführten (unechten) Steuerbefreiungen durchbrochen, durch die Möglichkeit des Verzichts auf die Steuerbefreiung aber gerade wiederhergestellt.
Noch nicht entschieden ist zwar, ob der Vorsteuerabzug außerdem zur Voraussetzung hat, dass der Vorsteuerabzug auch in dem Land möglich gewesen wäre, in dem die Ausgangsleistung – nach Verzicht auf die Befreiung – besteuert worden ist. Für diese Auffassung spricht jedoch schon die EuGH-Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 26.9.1996, Rs. C-302/93 – Debouche –, HFR 1996, 838, Rdnr. 19 und vom 13.7.2000, Rs. C-136/99 – Societe Monte Dei Paschi di Siena –, HFR 2000, 762). Die Regelung der Vorsteuererstattung für nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige soll Wettbewerbsnachteile beseitigen, aber den Steuerpflichtigen nicht besser stellen als den im Erstattungsstaat ansässigen Steuerpflichtigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.5.2004, V R 73/03