1.1 Allgemeines
Erst seit Anfang der 80er Jahre wurde das Phänomen ‹innere Kündigung› zu einem Begriff. Es umschrieb einen bewussten Rückzug im Arbeitsalltag und fehlendes Engagement im Beruf. Seitdem gibt es unzählige Begriffe für das Phänomen: stiller Rückzug, Quiet Quitting, Dienst nach Vorschrift, innere Emigration – um nur einige zu nennen.
Während innere Kündigungen zunächst vor allem im Verwaltungsapparat festgestellt wurden, sind sie heute in allen Wirtschaftszweigen anzutreffen. Von den oberen Führungskräften bis zu den Hilfskräften nimmt das Ausmaß der inneren Kündigung kontinuierlich zu. Das wird mit dem größeren Verantwortungsbereich, mit mehr Entscheidungsspielraum und Potentialentfaltung erklärt, welches die Anfälligkeit für das Auftreten von inneren Kündigungen verringere.
Jemand der innerlich kündigt, ist mit seiner Arbeitssituation unzufrieden oder arbeitet in Über- oder Unterforderung. Er ist aus persönlichen Gründen nicht in der Lage, selbst zu kündigen. Das Engagement und die Motivation sinken zunehmend. Innere Kündigung gilt auch als Extremform der Demotivation.
Führungskräfte benötigen zwingend die Kenntnisse und Kompetenzen rund um das Phänomen, um frühzeitig die innere Kündigung bei einem Mitarbeiter zu erkennen und Maßnahmen für die Rückgewinnung einzuleiten. Es ist ein sensibles Thema, dass auch eine hohe soziale Kompetenz vonseiten der Führungskraft verlangt. Schließlich will der Mitarbeiter eigentlich in Ruhe gelassen werden, weil er resigniert hat, und die Führungskraft möchte, dass er wieder seine Arbeit so erledigt wie gewohnt.
1.2 Zur Definition
Es gibt noch keine einheitliche Definition für das Phänomen. Aber es gibt einen gemeinsamen Nenner für die Merkmale der inneren Kündigung. Unter "innerer Kündigung" wird der bewusste Verzicht auf Engagement am Arbeitsplatz eines Mitarbeiters zusammengefasst. Es ist eine stille, mentale Verweigerung engagierter Leistungen, weil Erwartungen an die Arbeitssituation enttäuscht wurden und angestoßene Veränderungen erfolglos bleiben. Eine innere Kündigung kann aktiv und passiv geschehen und vollzieht sich in einem schleichenden Prozess. In der aktiven Form versucht der Mitarbeiter, die als ungerecht empfundene Arbeitssituation wieder zum Positiven zu ändern, der Vorgesetzte ist dabei oft involviert (z. B. durch ein Mitarbeitergespräch). Wenn die Rückgewinnung nicht gelingt, kann sich die aktive in die passive bzw. passive-reaktive Form verwandeln. In dieser Form zieht sich der Mitarbeiter bewusst zurück. Er baut auf Erfahrungen auf, dass seine Passivität und Unmotiviertheit keine Konsequenzen hat (oder bestenfalls sogar belohnt wird, weil er ja nicht mehr "nörgelt").
Mit jedem Arbeitsvertrag wird auch ein psychologischer Vertrag geschlossen. Eine innere Kündigung zeugt von der Verletzung dieses psychologischen Vertrags. Der Inhalt eines psychologischen Vertrages besteht in den unausgesprochenen Erwartungen, die der Mitarbeiter an seine Arbeit, das Arbeitsklima und das Unternehmen hat – und umgekehrt, in den Erwartungen von Unternehmerseite an den Mitarbeiter. In empirischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass auf Mitarbeiterseite eine dauerhafte Nichtübereinstimmung der Erwartungen zur Demotivation und schließlich zur inneren Kündigung führt, wenn zusätzlich auch ein empfundenes Ungleichgewicht von Geben und Nehmen besteht.
1.3 Merkmale innerer Kündigung
Die wichtigsten Merkmale lassen sich aus zwei Perspektiven betrachten: der des Mitarbeiters und aus der Perspektive des Unternehmens.
Merkmale für innere Kündigung aus Perspektive des Mitarbeiters |
- Vermindertes Engagement (Leistungsminimalismus, es wird nur der geringste Einsatz erbracht, um nicht in die Kritik zu fallen)
- Konformismus (das Ja-Sagen hilft dem Mitarbeiter, nicht oder nur positiv aufzufallen und er erbringt dabei nur den geringsten Einsatz)
- Passivität durch Zurückhaltung und Schlaffheit oder Aktivität durch Aggressivität und Ablehnung (Renitenz)
- Desinteresse (kein Interesse an den Tätigkeiten und auch nicht an dem Team, wenig Kommunikation)
- Stresstoleranzlosigkeit (es gibt keine Motivation für irgendetwas, daher gibt es auch keinen Stress)
- Kreativitätsarmut (das Fehlen von Interesse, Motivation und Leistungsbereitschaft führt zu mangelnder Kreativität – zumindest was die Arbeitstätigkeit anbelangt)
- Psychosomatische Krankheiten (z. B. Kopf...
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