Zusammenfassung
Wenn ein Unternehmer zahlungsunfähig wird und Insolvenz anmeldet, hat die Person, die eine Leistung von diesem Unternehmer erhalten hat, das Recht, die bereits gezahlte Umsatzsteuer direkt von der Finanzbehörde zurückzufordern.
Hintergrund
Die Klägerin, eine Schweizer Aktiengesellschaft (AG), hatte bis 2011 Geschäfte mit einem deutschen Unternehmen namens C. C erbrachte Dienstleistungen wie Werbung und Vermittlung von Lieferantenverträgen an das Unternehmen. Die Schweizer AG stellte für diese Dienstleistungen im Gutschriftsverfahren Rechnungen mit deutscher Umsatzsteuer an C aus, obwohl der Ort der Leistungserbringung in der Schweiz lag.
Sie zahlte die Rechnungen samt der falsch ausgewiesenen Steuer an C und machte diese als Vorsteuer beim Finanzamt geltend. C leitete die Umsatzsteuer an das deutsche Finanzamt weiter.
Inzwischen ist C insolvent, und das Insolvenzverfahren läuft noch. Die Insolvenzverwalter von C haben beim Finanzamt die Rückerstattung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer beantragt. Dieses Verfahren wurde ausgesetzt, da der Bundesfinanzhof eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwartet.
Die Schweizer Firma hat ihre Umsatzsteuererklärungen korrigiert und 2016 beantragt, die Vorsteuer aus Kulanzgründen anerkannt zu bekommen. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag im Mai 2021 ab, woraufhin die Firma Klage erhob.
Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) hält die Klage für begründet. Danach ist die Neutralität der Umsatzsteuer in Frage gestellt, wenn ein Unternehmer als Leistungsempfänger (die AG) zwar Zahlungen an den Leistenden ( C ) geleistet hat, die einen Umsatzsteueranteil enthielten, der von diesem auch an die Finanzverwaltung abgeführt wurde, die AG aber gleichwohl keinen Vorsteuerabzug hat, weil ein solcher nur bei tatsächlich geschuldeter Umsatzsteuer, nicht hingegen bei in Gutschriften zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer möglich ist.
Im Fall der Insolvenz des Leistenden ist dem Leistungsempfänger sofort und in volle Höher ein Direktanspruch gegenüber der Finanzverwaltung auf Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer zuzubilligen.
Andererseits ist ein Erstattungsanspruch des Leistenden gegen das Finanzamt auch im Falle einer Insolvenz nur gegeben, wenn er zuvor die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückbezahlt hat.
Nach Ansicht des FG besteht bei richtiger Sachbehandlung nicht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer 2-mal erstatten muss. Denn der Erstattungsanspruch des insolventen Leistenden steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass er seinerseits die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer dem Leistungsempfänger erstattet. Dies ist ihm aufgrund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen allerdings unmöglich.