5.1 Quantitative Insolvenzsignale (Kennzahlen)
Intern ermittelte Kennzahlen haben einen verhältnismäßig hohen Aussagewert. Auch Zeitreihen sind in der Praxis sehr beliebt, um Entwicklungen anschaulich darzustellen. Aber: Die Betrachtung einer Kennzahl allein hilft nicht weiter. Nur die Beurteilung mehrerer Kennzahlen dient einer fundierten Entscheidungsfindung. Bei der Darstellung von Zeitreihen sollten mindestens 3 Jahre einbezogen werden.
Die Vielzahl der möglichen Kennzahlen ist hier nicht darstellbar. Die nachfolgenden Kennziffern sollten bei einer Insolvenzgefahrenanalyse jedoch immer berücksichtigt werden.
5.1.1 Verschuldungskoeffizient
Verschuldungskoeffizient = |
Fremdkapital |
× 100 |
Eigenkapital |
Mindestforderung ist ein Verhältnis 2:1.
Der Soll-Kennwert lautet 1:1 (= 100 %). D. h., das Eigenkapital sollte mindestens so groß sein wie das Fremdkapital. Mit einem durchschnittlichen Eigenkapitalanteil von ca. 30 % wird dieser Grundsatz in Deutschland in vielen Unternehmen nicht erreicht. Es besteht eine bedenkliche Eigenkapitallücke. In Zeiten guter wirtschaftlicher Lage ist dies nicht zwingend negativ zu beurteilen. Im Gegenteil, hier liegen dann durch die Auswirkungen des sogenannten Leverage-Effekts (Abhängigkeit der Rentabilität des Eigenkapitals vom Anteil der Fremdfinanzierung) unbestreitbare Vorteile. In wirtschaftlich schlechteren Zeiten dagegen kann sich dies auch umkehren (negativer Leverage-Effekt) und in letzter Konsequenz ist die kritische Phase schnell erreicht und sogar die Unternehmensexistenz bedroht.
5.1.2 Anlagendeckung II (Goldene Bilanzregel im weiteren Sinne)
Anlagendeckung II = |
Langfristiges Kapital |
× 100 |
Anlagevermögen |
Für eine solide Finanzierung des Anlagevermögens (sogenannte Fristenkongruenz) ist die Einhaltung der 1:1-Regel (= 100 %) Voraussetzung. Anders ausgedrückt: Anlagevermögen sollte nur durch langfristiges Kapital (Eigenkapital und langfristiges Fremdkapital = Verbindlichkeiten mit Restlaufzeiten von mehr als 4 Jahren) finanziert werden.
5.1.3 Erwirtschafteter Anteil am Finanzbedarf
Erwirtschafteter Anteil am Finanzbedarf = |
Jahresüberschuss + Abschreibungen |
× 100 |
Aktiva-Zugang + Tilgung + Entnahmen |
Entnahmen bei Kapitalgesellschaften betreffen Ausschüttungen und eine Kapitalherabsetzung.
Liegt der Wert der Kennziffer unter der Marke von 20 %, so ist die Wirtschaftskraft des Unternehmens nicht ausreichend.
5.1.4 Eigenmittel zu Bruttoinvestitionen
Eigenmittel zu Bruttoinvestitionen = |
Cashflow + Aktiva-Abgang - Tilgung |
× 100 |
Aktiva-Zugang |
Soweit der Wert der Kennzahl unter 50 % sinkt, werden die betrieblichen Investitionen des Unternehmens mit zu wenig Eigenkapital durchgeführt. Die Finanzierung ist daher bedenklich.
5.1.5 Entnahmen zu Finanzmitteln
Entnahmen zu Finanzmitteln = |
Entnahmen |
× 100 |
Finanzmittel-Zugang |
Entnahmen bei Kapitalgesellschaften betreffen Ausschüttungen und eine Kapitalherabsetzung.
Beträgt der Wert der Kennzahl mehr als 50 %, so verringert sich das betriebliche Vermögen drastisch.
5.1.6 Vermögensänderungsquote
Vermögensänderungsquote = |
Aktiva-Zugang |
× 100 |
Aktiva-Abgang + Abschreibungen |
Liegt der Wert der Kennziffer unter 100 %, verringert sich die Substanz des Unternehmens erheblich.
5.1.7 Investitionen zu Finanzmitteln
Investitionen zu Finanzmitteln = |
Aktiva-Zugang |
× 100 |
Finanzmittel |
Soweit der Wert der Kennzahl unter 20 % fällt, bedeutet dies, dass das Anlagevermögen aufgrund nicht ausreichender Investitionen veraltet.
5.1.8 Cashflow zu Fremdkapital
Cashflow zu Fremdkapital = |
Cashflow |
× 100 |
Fremdkapital |
Sinkt der Wert der Kennzahl unter 10 %, so ist die ausreichende Tilgung des Fremdkapitals gefährdet.
5.1.9 Working Capital
Working Capital = Umlaufvermögen – kurzfristige Verbindlichkeiten |
Das Ergebnis sollte möglichst positiv sein. Ein positives Working Capital bedeutet, dass ein Teil des Umlaufvermögens mit langfristig zur Verfügung stehenden Kapital finanziert wird. Ein negatives Working Capital dagegen bedeutet, dass ein Teil des Anlagevermögens kurzfristig finanziert wird. Je länger dies der Fall ist, desto eher gerät das Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten. Fazit: Je höher das Working Capital ist, desto gesicherter ist die Liquidität und damit auch die Flexibilität des Unternehmens.
Hierbei wird oft auch die Kennzahl "Working Capital Ratio" ermittelt.
Working Capital Ratio = |
kurzfristiges Umlaufvermögen |
× 100 |
kurzfristige Verbindlichkeiten |
Diese Kennzahl drückt die Abdeckung der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch das kurzfristige Umlaufvermögen aus. Diese Kennzahl sollte nicht unter 100 % liegen.
5.1.10 Liquiditätskennziffern
Liquidität 1. Grades
Liquidität 1. Grades = |
Flüssige Mittel |
× 100 |
Kurzfristige Verbindlichkeiten |
Die Kennziffer sollte zwischen 5 % und 10 % liegen. Flüssige Mittel dienen insbesondere dazu, die kurzfristigen Verbindlichkeiten auszugleichen, vor allem wenn Skonto beansprucht werden kann.
Liquidität 2. Grades
Liquidität 2. Grades = |
Flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen |
× 100 |
Kurzfristige Verbindlichkeiten |
Die Kennziffer sollte zwischen 100 und 120 % betragen.
Liquidität 3. Grades
Liquidität 3. Grades = |
Flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen + Vorräte |
× 100 |
Kurzfristige Verbindlichkeiten |
Die Kennziffer sollte zwischen 120 % und 150 % betragen.
5.1.11 Vergleichskennzahlen
Nachfolgend wichtige Unternehmenskennzahlen für das Jahr 2022 untergliedert nach Rechtsform und U...