Eine GmbH (GmbH & Co. KG) ist zahlungsunfähig, wenn sie fällige Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Davon geht das Gesetz aus wenn die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt hat (§ 17 II 2 InsO). Ansonsten ist fraglich, welcher Grad der Zahlungsunfähigkeit zu fordern ist und wie lange dieser Zustand andauern muss, damit der Insolvenzgrund angenommen werden kann. Mit anderen Worten ist zu entscheiden, wie viel Prozent der fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr über welchen Zeitraum bedient werden können, damit die Zahlungsunfähigkeit bejaht werden kann.
Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung am 24.5.2005, IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, die Zahlungsunfähigkeit definiert und den Zeitraum von 3 Wochen zugrunde gelegt sowie die Liquiditätslücke näher definiert (Leitsätze):
a) Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen 3 Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.
b) Beträgt eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.
c) Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.
Der Steuerbescheid
Die GmbH erhält im Anschluss an eine Außenprüfung des Finanzamtes einen Steuerbescheid über Steuernachzahlungen im Bereich der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zuzüglich Zinsen in Höhe von 120.000 EUR, fällig in einem Monat. Kann die Gesellschaft diese Forderung bei Fälligkeit nicht zahlen und beträgt diese offene Forderung mindestens 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten und dauert dieser Zustand 3 Wochen an, müsste der Geschäftsführer wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag stellen. Wäre die Forderung des Finanzamtes z. B. die einzige offene Forderung, die fällig ist, hat die GmbH aber zu diesem Zeitpunkt "nur" eine Liquidität von 50.000 EUR auf ihrem Konto, läge eine relevante Liquiditätslücke vor. Die GmbH müsste mehr als 90 % der fälligen Forderung begleichen können, um den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit auszuräumen.
Der Geschäftsführer muss prüfen, ob beim Finanzamt ein Antrag auf Stundung mit Aussicht auf Erfolg gestellt werden kann oder ob die Gesellschaft aus eigener Kraft Kredit erhält oder ob sie sich sonst die Liquidität, z. B. durch Verkauf eines Gegenstands des Anlagevermögens beschaffen kann, um die sich abzeichnende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden oder um die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit auszuräumen. Der Geschäftsführer selbst ist für die Kapitalaufbringung und Finanzierung nicht zuständig. Die Finanzierungsverantwortung haben die Gesellschafter. Diese müssen aber grundsätzlich kein Kapital nachschießen. Der Geschäftsführer muss daher – wenn die Gesellschaft die Liquidität nicht mehr selbst aufbringen kann – ggf. sofort eine Gesellschafterversammlung einberufen und eine Finanzierungsentscheidung der Gesellschafter herbeiführen. Gelingt es dem Geschäftsführer binnen 3 Wochen nach Eintritt der Fälligkeit nicht, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, muss er Insolvenzantrag stellen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer bei Strafandrohung verpflichtet ist, den Gesellschaftern unverzüglich anzuzeigen, wenn sich aus einer Jahresbilanz oder Zwischenbilanz ergibt, dass mehr als die Hälfte des Stammkapitals verloren ist (§ 49 II GmbHG).
Alternativ zu der Beschaffung von Liquidität kann der Geschäftsführer versuchen, die Fälligkeit der Forderung zu verschieben, bzw. ggf. eine Stundung oder Ratenzahlung vereinbaren. Kann jedoch ein Zahlungsaufschub nicht erreicht werden, muss der Geschäftsführer den Insolvenzantrag stellen. Der Geschäftsführer kann – er muss aber nicht – laut Insolvenzordnung u. U. bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag stellen – also dann, wenn die GmbH voraussichtlich nicht in der Lage ist, Zahlungsverpflichtungen mit ihrer Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 InsO). Der Geschäftsführer hat so die Möglichkeit, Vollstreckungen vorzubeugen und eine geordnete Abwicklung, z. B. durch Erhaltung des Betriebs und anschließende Übertragung desselben durch den Insolvenzverwalter (sog. übertragende Sanierung) oder durch Sanierung desselben auf der Grundlage eines Insolvenzplans zu erreichen.