Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Von einem endgültigen Ausfall einer privaten Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist jedenfalls dann auszugehen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt hat.
Normenkette
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Es handelt sich um eine Entscheidung im 2. Rechtsgang. Der Kläger hatte im Jahr 2010 einem Dritten ein mit 5 % zu verzinsendes Darlehen i.H.v. 24.274,34 EUR gewährt. Bereits im Jahr 2011 erfolgte keine Rückzahlung des Darlehens mehr. Im Jahr 2012 wurde über das Vermögen des Darlehensschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete seine Darlehensforderung zur Insolvenztabelle an. Noch im selben Jahr 2012 zeigte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO an. Während des Insolvenzverfahrens dauerte die Masseunzulänglichkeit fort, bis dieses im Jahr 2016 mangels Masse eingestellt wurde.
Der Kläger macht in der ESt-Erklärung für das Streitjahr 2012 den Ausfall seiner Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das FA lehnte die Anerkennung des Verlusts ab. Nach erfolgloser Klage hob der BFH das FG-Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück (BFH, Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15, BFH/NV 2018, 280, BFH/PR 2018, 55). Die Klage war im 2. Rechtsgang erfolgreich. Nach Auffassung des FG war der Verlust des Klägers im Streitjahr gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 EStG zu berücksichtigen (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.7.2018, 7 K 3302/17 E, Haufe-Index 12067349, EFG 2018, 1645).
Entscheidung
Der BFH hat die hiergegen erhobene Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen, da ein endgültiger Ausfall der Darlehensforderung im Streitjahr vorlag, der steuerlich zu berücksichtigen war.
Hinweis
1. Der BFH hatte bereits im ersten Rechtsgang entschieden, dass der endgültige Ausfall einer privaten Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG führt. Diese Rechtsauffassung wurde zwischenzeitlich von der Finanzverwaltung anerkannt. Denn wirtschaftlich betrachtet macht es keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige die Forderung kurz vor dem Ausfall zu null veräußert oder ob er sie – weil er keinen Käufer findet oder auf eine Insolvenzquote hofft – behält. In beiden Fällen erleidet der Steuerpflichtige eine Einbuße seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die nach Einführung der Abgeltungsteuer steuerlich zu berücksichtigen ist.
2. Jedoch liegt ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls grundsätzlich erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass keine Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Zur Klärung dieser Frage hatte der BFH den Rechtsstreit im 1. Rechtsgang an das FG zurückverwiesen. Das FG hat im 2. Rechtsgang festgestellt, dass bereits vor Abschluss des Insolvenzverfahrens ein endgültiger Forderungsausfall vorlag, da der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt hat. Dieser Auffassung ist der BFH gefolgt.
3. Der Insolvenzverwalter hat die Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO anzuzeigen, wenn zwar die Mittel zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens i.S.d. § 54 InsO vorhanden sind, die Insolvenzmasse jedoch nicht ausreicht, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Ab der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO steht somit fest, dass auf die Forderungen der Insolvenzgläubiger keine Zahlungen mehr erfolgen werden und die Insolvenzforderung uneinbringlich ist. Bei der Forderung des Klägers handelte es sich um eine Insolvenzforderung, da sie mit der Hingabe des Darlehens bereits vor der Insolvenzeröffnung begründet worden war.
4. Keine andere Beurteilung folgt daraus, dass auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Möglichkeit besteht, dass aufgrund einer Massebesserung wieder in das "normale" Insolvenzverfahren zurückzukehren ist. Denn dies ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr zu erwarten ist.
5. Stellt sich vor der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 211 InsO dann doch heraus, dass die angezeigte Masseunzulänglichkeit nicht von Dauer ist und die Insolvenzgläubiger anteilig befriedigt werden, liegt ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Dieses wirkt auf den VZ des geltend gemachten Forderungsausfalls zurück. D. h. erhält der Insolvenzgläubiger nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Zahlungen auf seine Insolvenzforderungen, ist der steuerlich berücksichtigte Verlust der Forderung rückwirkend in Höhe der Zahlungen herabzusetzen.