BMF, Schreiben v. 27.5.2002, IV A 6 - S 2248 - 16/02
Sehr geehrter Herr…,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 13.5.2002, in dem Sie um Informationen zu den Auswirkungen des BFH-Urteils vom 12.12.2001 (BStBl 2002 II S. 202) zur ertragsteuerlichen Behandlung der Insolvenzverwalter bitten.
Der BFH kommt in o.g Urteil zu der Auffassung, dass die Tätigkeit eines Verwalters im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich zu den Einkünften aus § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG gehört, auch wenn diese Tätigkeit von einem Rechtsanwalt ausgeübt wird, der Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Die Abgrenzung dieser freiberuflichen von der gewerblichen Tätigkeit richtet sich nach den Grundsätzen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Danach können die Einkünfte aus der Tätigkeit eines Vermögensverwalters unter den Voraussetzungen der sog. Vervielfältigungstheorie als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt werden.
Der BFH stützt diese Entscheidung auf seine ständige Rechtsprechung zu § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, nach der ein Konkurs-, Zwangs- und Vergleichsverwalter eine vermögensverwaltende und keine freiberufliche Tätigkeit ausübt und gewerbesteuerpflichtig wird, wenn unter Würdigung aller Umstände nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die erbrachten Leistungen auf der persönlichen Arbeitskraft des Verwalters beruhen. Für Rechtsanwälte, die überwiegend in Insolvenzverfahren tätig seien, könne nichts anderes gelten (sog. Vervielfältigungstheorie).
Der BFH nimmt mit diesem Urteil zwar erstmals explizit zur Abgrenzung und Anwendung der Vervielfältigungstheorie Stellung, wenn sowohl Tätigkeiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als auch im Sinne der Nr. 3 ausgeübt werden, allerdings ging auch die steuerrechtliche Literatur schon bisher davon aus, dass die grundsätzliche Qualifikation der anwaltlichen Tätigkeit als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nicht zur Folge hat, dass sämtliche, durch den Anwalt ausgeführte Tätigkeiten als Einkünfte nach § 18 EStG anzusehen sind. Die nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu beurteilenden sonstigen selbstständigen Tätigkeiten (u.a. als Vermögensverwalter) sind regelmäßig mit dem Beruf des Rechtsanwalts vereinbar und gehören zu dessen freiberuflichen Einkünften, wenn die Tätigkeit isoliert betrachtet eine selbstständige Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG darstellt. Dabei ist im Rahmen der sonstigen selbstständigen Tätigkeit die sog. Vervielfältigungsmethode zu beachten. Anders als bei der originären Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann die Beschäftigung von mehr als einem qualifizierten Mitarbeiter hier bereits die gewerbliche Qualifizierung der Einkünfte zur Folge haben.
Da der BFH mit o.g. Urteil nur seine ständige Rechtsprechung bestätigt hat, ist insoweit eine Änderung der Verwaltungsauffassung nicht eingetreten. Eine Übergangsregelung oder ein Nichtanwendungserlass ist daher nicht vorgesehen und wird auch nicht für notwendig erachtet.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3