Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rupp
6.11.11.1 Änderung der Rechtsprechung ("Timac Agro")?
Tz. 2127
Stand: EL 96 – ET: 06/2019
Der EuGH hat in der Entsch "Timac Agro" (s Urt des EuGH v 17.12.2015, C-388/14 "Timac Agro") entschieden, dass in einem ersten Schritt die Nichtberücksichtigung ausl BetrSt-Verluste eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt. Allerdings konstatiert der EuGH im Hinblick auf die Vergleichbarkeit, dass eine Gesellschaft mit einer ausl BetrSt sich im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung grds nicht in einer vergleichbaren Situation zu einer Gesellschaft mit einer inl BetrSt befindet, da bei einer Freistellungs-BetrSt die Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. Eine weitere Prüfung der Rechtfertigungsgründe sowie der Angemessenheit erübrigte sich deshalb für den EuGH. Das FG München (s Beschl des FG München v 31.05.2016–7 V 3044/15) hat diesen Aspekt aufgegriffen und ebenfalls einen Verlustabzug im Inl abgelehnt.
Tz. 2128
Stand: EL 96 – ET: 06/2019
Während von Vertretern der Fin-Verw (s Benecke/Staats, IStR 2016, 74; s Mitschke, FR 2016, 132) die Entsch als abschließendes Kapitel in der Rspr angesehen wird, wird von Seiten der Beraterschaft und Vertretern aus der Wissenschaft insbes die fehlende Auseinandersetzung mit den Grundsatz-Entsch (ua EuGH v 13.12.2005, C 446/III 03, "Marks und Spencer") kritisiert. Hierzu s Nieman/Dodos (DStR 2016, 1057); s Pohl/Burwitz (FR 2016, 561); s Schuhmacher (IStR 2016, 473); s Schlücke (FR 2016, 130); s Schnittger (IStR 2016, 72).
Tz. 2129
Stand: EL 96 – ET: 06/2019
Es wäre wünschenswert (s Kögel, IWB 1/2017, 7), dass der EuGH selbst Klarheit schaffen und definitiv sagen sollte, ob die von ihm mit "Marks & Spencer" aus der Taufe gehobenen finalen Verluste "zu begraben" sind, weil kein denkbarer Fall mehr für die sog Rückausnahme einer Verlustberücksichtigung bei Freistellungs-BetrSt übrig bleibt, und sich damit unzweideutig und offen zu einer Aufgabe seiner bisherigen Rspr bekennen. Falls die Abzugsfähigkeit dem Grunde nach in vd Fällen bejaht würde, sollte der EuGH endlich auch die Kriterien benennen, unter denen sie anzuerkennen sind. Dies würde nicht nur den Stpfl helfen, sondern auch dem dt Ges-Geber ein klares Signal geben, ob überhaupt und ggf wie eine innerstaatliche ges Regelung zur Berücksichtigung der nun seit über einem Jahrzehnt streitigen BetrSt-Verluste geschaffen werden könnte.
Mit Urt v 22.02.2017 hat sich der BFH (s Urt des BFH v 22.02.2017, I R 2/15) der EuGH-Rspr "Timac Agro" angeschlossen. Er lässt nun sog finale Verluste aus ausl BetrSt und TG – entgegen seiner früheren Rspr (s Tz 2121ff) – im Inl nicht mehr zum Abzug zu. Zwar war die Bedeutung der EuGH-Entsch nicht unumstr (s vorgenannte Lit-Hinweise). Der BFH sieht jedoch beim Wortlaut der EuGH-Entsch keinen Raum "für vernünftige Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung der fraglichen Rechtsnorm". Der BFH schließt sich daher in seinem Urt dem EuGH an. Er hat davon abgesehen, die Rechtsfrage (nochmals) dem EuGH zur Entsch vorzulegen.
Unter den Az I R 48/17 und I R 49/17 sind allerdings zwei neue Rev-Verfahren beim BFH anhängig. Die Rev richten sich gegen die Urt des FG Münster v 28.03.2017 (s Urt des FG Münster v 28.03.2017, BB 2017, 2392). In beiden Fällen hatte die Fin-Verw unter Hinweis auf das EuGH-Urt v 17.12.2016 (C-388/14 – Timac Agro) obsiegt. Hier geht es um die Frage, ob die finalen Verluste einer ausl BetrSt aufgr der unionsrechtl Niederlassungsfreiheit und vor dem Hintergrund der oa "Timac Agro"-Entsch des EuGH im Inl abzgf sind, wenn entweder die Verluste im Quellenstaat nicht mehr verwertet werden können oder die ausl BetrSt endgültig geschlossen wird.
6.11.11.2 Die nochmalige Rechtsprechungsentwicklung in der Rechtssache "Bevola" (back to the rules?)
Tz. 2130
Stand: EL 96 – ET: 06/2019
Völlig überraschend hat der EuGH in der (nicht D betreffenden) Entsch (s Urt des EuGH v 12.06.2018, C-650/16, BFH/NV 2018, 927) in der Rs Bevola und Jens W. Trock abw zur bisherigen Auslegung in der Rs Timac Agro entschieden. Allerdings ist zu sehen, dass hinsichtlich einer Besonderheit des dänischen St-Rechts, wonach Verluste nur dann abzugsfähig sind, wenn die dänische Gesellschaft für eine internationale gemeinsame Besteuerung optiert, zu beurteilen war. Darin sehen die Richter allerdings einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.
Zur Frage, ob die Entsch Auswirkungen auf die dt Rechtslage hat, ist vorab der Sachverhalt kurz zu untersuchen (Frage der Vergleichbarkeit).
Die dänische Gesellschaft A/S Bevola (Bevola) besaß eine finnische BetrSt, die ihre Tätigkeit in 2009 einstellte. Deren Verluste konnten in Finnland nicht angerechnet bzw genutzt werden. Bevola wurde es seitens der dänischen St-Verwaltung verwehrt, diese Verluste abzuziehen, da sie vorab (rechtzeitig) die Option zur dänischen "internationalen gemeinsame Besteuerung" gewählt hatte.
Hinw: Einmal gewählt, erstreckt sich eine solche Option ua auch auf sämtliche im Ausl belegenen BetrSt und die dänische MG ist daran zehn Jahre gebunden.
Der EuGH sieht in der dänischen Regelung, Verluste von ausl BetrSt nur dann zum Abzug zuzulassen, wenn die dänische MG die sog "internationale gemeinsa...