Der Bundesfinanzhof hat in der Grundsatzentscheidung I R 81/09 entschieden, dass eine gewerbliche Prägung nicht ausreicht, um abkommensrechtlich Unternehmensgewinne nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA zu vermitteln. Vielmehr ist eine abkommensautonome Auslegung des Begriffs "Unternehmensgewinne" vorzunehmen, wonach z. B. vorrangig Dividendeneinkünfte nach Art. 10 OECD-MA vorliegen. Die Folge wäre in den vorgenannten Fallgruppen 1 – 3 der VerwGrSPG 2010 die Wegzugsbesteuerung bzw. Entstrickung nach § 16 Abs. 3a EStG.
Von Bedeutung für die 4. Fallgruppe in Tz. 2.2.4 der VerwGrSPG 2010 sind folgende Bewertungen der Vorinstanz des FG Schleswig-Holstein, die vom BFH bestätigt wurden:
- Gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA hat bei der Anwendung des DBA-USA durch einen Vertragsstaat jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Anwenderstaats zukommt. Etwas anderes gilt nur insoweit, als es der Zusammenhang "anders erfordert" oder die zuständigen Behörden sich im Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-USA auf eine gemeinsame Auslegung geeinigt haben. Da ein Verständigungsverfahren weder durchgeführt noch abkommensrechtlich umgesetzt wurde und sich auch aus dem Zusammenhang des Abkommens kein Erfordernis für eine bestimmte Art der Interpretation des Betriebsstättenvorbehalts ergibt, ist die Bedeutung des Begriffs "gewerbliche Tätigkeit" grundsätzlich nach deutschem Recht zu bestimmen.
- Dies ist für die Frage der Abgrenzung gewerblicher Einkünfte von solchen aus Vermögensverwaltung anerkannt und muss auch für die Bestimmung des Begriffs "gewerbliche Tätigkeit" i. S. des Art. 11 Abs. 3 DBA-USA gelten.
- Etwas anderes gilt lediglich in Ansehung der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG betreffend die gewerblich geprägte Personengesellschaft, denn die fingierte Umqualifikation von Einkünften widerspricht dem abkommensrechtlichen lex-specialis-Prinzip, weil sie die differenzierte Einordnung in die unterschiedlichen Einkunftsarten aufheben würde. Da die Klägerin nach deutschem Rechtsverständnis unstreitig eine lediglich vermögensverwaltende Vermietungstätigkeit ausübt, richtet sich die Besteuerung der von ihr erzielten Zinserträge nach Art. 11 Abs. 1 DBA-USA. Die Bundesrepublik ist deshalb zur Besteuerung dieser Erträge unter Anrechnung der gezahlten US-Steuern befugt.
Im Endeffekt kam es bei dieser Fallgruppe jedoch sowohl nach Auffassung der Finanzverwaltung (über § 50d Abs. 9 EStG – wenn der andere Staat die Zinsen nicht als Unternehmensgewinne besteuert) als auch des BFH (originäre Zinsen nach Art 11 OECD-MA) zur inländischen Steuerpflicht.
Der BFH hat diese Rechtsprechung zwischenzeitlich mehrfach bestätigt und u. a. auch auf eine gewerblich geprägte ungarische Besitzpersonengesellschaft im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung fortentwickelt, obwohl es sich bei Betriebsaufspaltungen innerstaatlich um Einkünfte i. S. des § 15 Abs. 1 EStG handelt. Zudem hat sich auch der 2. Senat des BFH der Rechtsprechung des 1. Senats angeschlossen. Dadurch sind allerdings die Grundsatzfragen einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung noch nicht abschließend entschieden. Mit BFH-Beschluss v. 16.1.2019
fordert der BFH den BMF zum Beitritt zu einem Musterverfahren auf. Der BFH macht die Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 8b Abs. 5 KStG davon abhängig, ob bei der Klägerin (= inländische gemeinnützige Stiftung) ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb begründet wird. Dies setzt wiederum voraus, dass bezüglich der Grundstücksverpachtung der Stiftung an ihre 100 %-ige Tochtergesellschaft in den Niederlanden eine (grenzüberschreitende) Betriebsaufspaltung anzunehmen ist, d. h. auf Ebene des Besitzunternehmens gewerbliche Einkünfte vorliegen. In dem Verfahren geht es um die Klärung folgender Rechtsfragen:
1. Sind die Grundsätze der Betriebsaufspaltung in grenzüberschreitenden Sachverhalten nur dann anzuwenden, wenn es zu einer Schmälerung des inländischen Steueraufkommens kommt?
2. Welche Folgerungen ergeben sich hieraus für Sachverhalte, in denen kein Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht (Nicht-DBA-Fälle) sowie dann, wenn ein solches Abkommen besteht (DBA-Fälle)?
3. Welche weiteren Folgerungen sind in den vorstehend bezeichneten Varianten jeweils für Inbound- bzw. Outbound-Konstellationen und nach Art und Belegenheit der jeweils überlassenen Wirtschaftsgüter zu ziehen?
Die Konsequenzen für den "Hauptgestaltungsfall" sollen anhand folgendem Beispiel dargestellt werden:
Hauptgestaltungsfall
A hat seinen Wohnsitz im Inland und ist alleiniger Gesellschafter der A-GmbH. Da er wegen der "drohenden" Erbschaftsteuererhöhung nach Österreich (keine ErbSt!) auswandern möchte, gründet er eine inländische GmbH & Co. KG (ausschließlich gewerblich geprägt i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), setzt seinen Steuerberater als Geschäftsführer ein und bringt in die KG die Anteile an der A-GmbH zu Buchwerten ein. Nach der Einbringung verzieht er nach Österreich...