4.2.1 Abgrenzung zu § 12 AO
Der Betriebsstättenbegriff nach § 12 AO ist zwar auf den ersten Blick vergleichbar mit dem nach Art. 5 OECD-MA. Dieser enthält allerdings wichtige Ausnahmen z. B. nach Art. 5 Abs. 3 sind verschiedene, Hilfs- oder Vorbereitungshandlungen dienende Einrichtungen wie Lager nicht betriebsstättenbegründend.
Eine weitere wichtige Unterscheidung ergibt sich bei Bau- und Montagebetriebsstätten. Während innerstaatlich die Frist bei 6 Monaten liegt, kann abkommensrechtlich die Frist je nach DBA zwischen 6 und 24 Monaten liegen.
Eine personelle Betriebsstättenbegründung sieht die AO nicht vor. Der ständige Vertreter gem. § 13 AO ist z. B. für die Gewerbesteuer unbeachtlich. Abkommensrechtlich kann jedoch der abhängige Vertreter mit Vertretungsvollmacht eine Betriebsstätte begründen.
Wegen der "engeren" Voraussetzungen empfiehlt es sich grundsätzlich, vorrangig den Betriebsstättenbegriff nach dem DBA zu prüfen. Der Betriebsstättenbegriff nach der AO kann allerdings auch Vorteile – insbesondere bei der GewSt – bewirken, da z. B. bei Bau- und Montagebetriebsstätten eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG bereits bei ausländischen Betriebsstätten ab einer Dauer von 6 Monaten erfolgt.
4.2.2 Gebietsmäßige Abgrenzung
Bei den sog. Vertreterbetriebsstätten (abhängiger Vertreter mit Abschlussvollmacht i. S. v. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA) kommt es im Gegensatz zu § 12 AO nach dem DBA nicht auf eine feste örtliche Anlage oder Einrichtung des vertretenden Unternehmens an. In diesen Fällen wird die Betriebsstätte allein schon durch die "ständige Vertretereigenschaft" der in dem anderen Vertragsstaat für ihn tätigen Person begründet.
4.2.3 Grundsatz der Einzelbetrachtung
Nur Tätigkeiten, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, sich also ergänzen oder gegenseitig fördern, bilden abkommensrechtlich auch für die Betriebsstättenfrage eine Einheit. National wird hingegen bei Baubetriebsstätten ausschließlich darauf abgestellt, ob die verschiedenen Bauausführungen oder Montagen in einer Gemeinde bestehen (vgl. R 2.9 (2) GewStR).
Auswirkungen dieser beiden Grundsätze können sich z. B. auf dem Gebiet der Gewerbesteuer ergeben. So kann nur unter den Voraussetzungen des R 2.9 ‹Betriebsstätten› GewStR eine Vertreter-Betriebsstätte der GewSt unterworfen werden. Denn neben der Tatbestandsvoraussetzung "ständiger Vertreter" erfordert das Gewerbesteuerrecht auch die Verfügungsmacht des Unternehmens über die feste Einrichtung, in der der Vertreter die Tätigkeit ausübt.