Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
2.1 Direkte Umleitung von Einkünften (direct conduit)
Der Begriff des direct conduit beschreibt den Grundfall des Treaty Shopping mit der Beteiligung von 3 Personen in 3 Staaten. Zwischen 2 dieser Personen, der Spitzeneinheit in Staat 1 und der Grundeinheit in Staat 2, bestehen rechtliche, wirtschaftliche oder sonstige Beziehungen (z. B. ein Beteiligungsverhältnis wie bei Mutter- und Tochtergesellschaften). Zwischen den beiden Ansässigkeitsstaaten gibt es entweder kein DBA oder ein DBA, das keine günstige Quellensteuerermäßigung für Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren enthält. Beide Ansässigkeitsstaaten haben jedoch jeweils ein günstiges DBA mit dem dritten Staat abgeschlossen. Um in den Schutzbereich dieser günstigen DBA zu kommen, wird nun eine dritte selbstständig steuerrechtsfähige Person zwischengeschaltet, die ihre Ansässigkeit in dem dritten Staat hat. Die Einkünfte der Grundeinheit werden nun z. B. in Form von Dividenden zunächst der zwischengeschalteten Person zugeleitet, wobei hier die günstige Quellenbesteuerung nach dem DBA zwischen Staat 2 und Staat 3 zur Anwendung kommt. Würden die Einkünfte direkt von der Grundeinheit an die Spitzeneinheit fließen, unterlägen sie der vergleichsweise hohen Quellenbesteuerung in Staat 2. Durch Weiterausschüttung fließen die Einkünfte schließlich der Spitzeneinheit im Staat 1 zu. Diese Dividenden unterliegen der reduzierten Quellensteuer nach dem DBA zwischen Staat 3 und Staat 1.
Vorteilhaft ist diese Gestaltungsmaßnahme nur unter der Voraussetzung, dass die Summe aus den Quellensteuern und der Ertragsteuer der zwischengeschalteten Gesellschaft niedriger ist als die ohne die Zwischenschaltung anfallende Quellensteuer. Der Ansässigkeitsstaat der zwischengeschalteten Gesellschaft stellt daher im Regelfall einen Staat dar, der solchen Holdinggesellschaften besondere Steuervergünstigungen einräumt.
2.2 Indirekte Umleitung von Einkünften mittels konzerninterner Leistungsvereinbarungen (stepping stone conduit)
Beim stepping stone conduit handelt es sich um eine Erweiterungsform des direct conduit. Diese Gestaltung liegt vor, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat keine Steuervergünstigungen erhält bzw. nicht niedrig besteuert wird, jedoch ein geringes zu versteuerndes Einkommen hat, so dass die Steuerbelastung im Ergebnis niedrig bleibt. Die Einkommensminderung geschieht durch interne Leistungsvereinbarungen zwischen dem Gesellschafter und der zwischengeschalteten Gesellschaft. Die der Gesellschaft in Rechnung gestellten Beträge wie Zinsen, Lizenzgebühren oder andere Leistungsentgelte verringern den steuerpflichtigen Gewinn und somit das zu versteuernde Einkommen.
Das Modell des stepping stone conduit lässt sich auf mehr als 3 Länder erweitern, um einerseits ein zwischen 2 Ländern bestehendes günstiges DBA auszunutzen und andererseits die Erträge über ein Land, das eine geringe Besteuerung vornimmt, laufen zu lassen, so dass im Ergebnis die vergleichsweise höchsten Nettoerträge repatriiert werden können.
2.3 Schaffung von Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen
2.3.1 Quintett
Abweichend von den zuvor genannten Fällen kann sich das Treaty Shopping auch nur auf die beiden Vertragsstaaten eines DBA beziehen. Durch das Quintettmodell sollen abkommensrechtliche Steuervergünstigungen genutzt werden, die nur für Minderheitsbeteiligungen vorgesehen sind. Eine im Staat1 ansässige Gesellschaft, die zu 100 % an einer im Staat2 ansässigen Gesellschaft beteiligt ist, gründet in ihrem Ansässigkeitsstaat z. B. 5 Tochtergesellschaften, die sodann jeweils eine 20 % -Beteiligung an der Gesellschaft im Staat2 halten. Auf diese Weise entstehen aus einer 100 %-Beteiligung fünf 20 %-Beteiligungen, so dass die für diese Minderheitsbeteiligungen geltenden Steuervergünstigungen nach dem DBA zwischen den beiden Staaten in Anspruch genommen werden können.
2.3.2 Landesholding
Das Landesholdingmodell stellt ebenso wie das Quintettmodell ein bilaterales Treaty Shopping dar. Dabei geht es um die Ausnutzung einer nationalen Steuervergünstigung, die nur bei einer Mindestbeteiligung eines Gesellschafters mit Ansässigkeit in demselben Staat gewährt wird. In diesem Fall gründet die ausländische Muttergesellschaft eine Tochtergesellschaft in dem betreffenden Staat und stattet diese Tochtergesellschaft mit einer Mindestbeteiligung an einer Gesellschaft aus, die ebenfalls in dem Staat ansässig ist. Die Tochtergesellschaft nimmt die Steuervergünstigung in Anspruch und schüttet die dadurch höheren Erträge an die Muttergesellschaft aus.
2.4 Directive Shopping
In die Fallgruppen des Treaty Shopping lässt sich auch das Directive Shopping einordnen. Dabei geht es um die Ausnutzung der Steuervorteile, die sich im Geltungsbereich der EU aus den EU-Richtlinien, insbesondere der Mutter-Tochter-Richtlinie ergeben. Um die quellensteuerfreie Umleitung von Dividenden zu erreichen, gründen Personen aus Drittstaaten eine Zwischengesellschaft in einem Mitgliedstaat der EU, der auf die Weiterausschüttung an die nicht in der EU ansässige Muttergesellschaft eine vergleichsweise niedrige Quellensteuer erhebt und eine vergleichsweise günstige Besteuerung der Dividendeneinnahmen vornimmt.