Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Einige DBA enthalten spezielle Regelungen, die eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen verhindern sollen. Beispielhaft seien Art. 23 DBA Schweiz und Art. 28 DBA-USA genannt, zuletzt geändert durch das Änderungsprotokoll vom 1.6.2006. Art. 23 DBA Schweiz verweist zur Verhinderung von Abkommensmissbräuchen auf die nationalen Regelungen der beiden Vertragsstaaten. Nationale Missbrauchsregelungen, die den Abkommensschutz ausschließen, stellen danach kein treaty override dar, da die Bekämpfung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von abkommensrechtlichen Steuervergünstigungen dem Abkommenszweck entspricht.
Das Änderungsprotokoll vom 1.6.2006 zum DBA-USA beinhaltet eine Verschärfung der limitation-on-benefits-Klausel (Art. 28), mit der die USA insbesondere den Verlust ihres Steuersubstrates auf Grund von Treaty-Shopping Gestaltungen bekämpfen wollen. Die Inanspruchnahme von abkommensrechtlichen Steuervergünstigungen hängt von einer Reihe von Voraussetzungen ab. Unter die Abkommensberechtigung fallen Gesellschaften, deren Aktienhauptgattung an einer anerkannten Börse gehandelt wird (public tradet corporation), wobei die Börse im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft sein muss oder der hauptsächliche Ort der Geschäftsführung und Überwachung der Gesellschaft muss sich dort befinden. Sind diese Voraussetzungen bei der Gesellschaft nicht gegeben, erfüllt sie dennoch den publicly traded test, wenn mindestens 50 % der gesamten Stimmrechte und des Werts der Gesellschaft (un)mittelbar von 5 oder weniger Gesellschaften gehalten werden, die ihrerseits die genannten Voraussetzungen erfüllen.
Auch nicht börsennotierte Gesellschaften können zum Kreis der Abkommensberechtigten gehören. Die Muttergesellschaft muss in ihrem Ansässigkeitsstaat aktiv gewerblich tätig sein und die Dividenden im Zusammenhang mit dieser aktiven Tätigkeit erhalten (active business test). Ferner wird verlangt, dass der Rohgewinn der Muttergesellschaft um nicht mehr als 50 % durch Zahlungen (Zinsen, Lizenzgebühren) an nicht Abkommensberechtigte gemindert wird (base erosion test). Hinzu kommt der indirect ownership test, der sich gegen den Einsatz von Durchlaufgesellschaften wendet und qualifizierte Gesellschafter der ausländischen Muttergesellschaft fordert. Mindestens 50 % der Anteile müssen von qualifizierten Gesellschaftern gehalten werden. Qualifizierte Gesellschafter sind selbst börsennotiert oder haben den Ort ihrer Geschäftsleitung im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft.
Zur dritten Fallgruppe gehören Muttergesellschaften, die nicht die genannten Voraussetzungen erfüllen, bei denen aber mindestens 95 % der Stimmrechte (in)direkt höchstens 7 Anteilseignern gehören, die ihre Ansässigkeit in einem EU-, EFTA- oder NAFTA-Staat haben, mit denen die USA ein umfassendes DBA abgeschlossen haben. Die Muttergesellschaften müssen außerdem den base erosion test erfüllen.
Diese umfangreichen Qualifizierungstests erschweren die Anwendung des DBA-USA erheblich und stellen eine deutliche Beschränkung des abkommensberechtigten Personenkreises dar.