Prof. em. Dr. Rudolf Federmann
4.1.3.1 Inventur bei IT-Lagersystemen
Rz. 45
Bei vollautomatisch gesteuerten Lagersystemen, die in normalerweise nicht begehbaren Großlagerhallen eingesetzt werden, kann die EDV-gesteuerte Ein- und Auslagerung mit der Bestandsfortschreibung gekoppelt werden, so dass eine körperliche Bestandsaufnahme bei der Einlagerung ausreicht, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
- jede körperliche Bewegung wird in der Bestandsfortschreibung erfasst,
- bei jeder Einlagerung erfolgt eine Leerplatzkontrolle, um Mehrfachbelegungen eines Faches auszuschließen,
- Teilentnahmen sind nicht möglich bzw. es erfolgt Vollentnahme mit Resteinlagerung,
- Aufnahme und Dokumentation bei Einlagerungen entsprechen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Inventur, und Einlagerungen werden nach Art und Menge aufgezeichnet und kontrolliert,
- im laufenden Betrieb ist das Lager nicht begehbar und Unbefugten nicht zugänglich,
- spätestens zum Bilanzstichtag werden nicht bewegte Bestände im Geschäftsjahr aufgenommen,
- der gesamte am Bilanzstichtag vorhandene Bestand ist dokumentiert und die Einlagerungsbelege werden als Inventurbelege aufbewahrt.
Rz. 46
Aufgrund der Forderung nach vollständiger Bestandsaufnahme der im Laufe des Geschäftsjahres nicht bewegten Bestände kann es u. U. zu erheblichen Belastungen kommen, da die Bestände i. d. R. durch Aus- und Wiedereinlagerung aufgenommen werden müssen. Es besteht die Möglichkeit, durch Einsatz eines mathematisch-statistischen Stichprobenverfahrens, z. B. Sequentialtest, diese Belastungen zu reduzieren.
Rz. 47
Diese Erleichterungen können nicht bei sog. halbautomatischen (einfachen) Lagersystemen in Anspruch genommen werden, da nicht alle aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, z. B. bei Lagersystemen, bei denen keine synchronisierte Bestandsfortschreibung mit den Lagerbewegungen einhergeht.
4.1.3.2 Inventur bei PPS-Systemen (systemgestützte Werkstattinventur)
Rz. 48
Das Konto "Werkstattbestände" oder "unfertige Erzeugnisse" und damit deren Bilanzausweis soll durch die klassische "Werkstattinventur" durch eine körperliche Aufnahme entsprechend den gesetzlichen Vorschriften physisch aufgenommen werden. Im Gegensatz zu den Lagerbeständen handelt es sich bei den Werkstattbeständen um einen stets fließenden Bestand von Aufträgen, der die Fertigung durchläuft, wobei die unterschiedlichen Bearbeitungsstadien Berücksichtigung finden müssen.
Rz. 49
Werden in der Fertigung sog. Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (PPS-Systeme), die mit Hilfe der Datenverarbeitung gesteuert werden, eingesetzt, können die erfassten Daten auch für Inventurauswertungen genutzt werden. Eine körperliche Aufnahme kann unterbleiben, wenn die aus einer Fertigungsstrecke abgelieferten Teile mengenmäßig erfasst werden, und die erfassten Bestände können am Inventurstichtag in das Inventar übernommen werden, wenn folgende Daten verfügbar sind:
- Typenbezeichnung (Artikelnummer)
- Auftragsnummer
- Auftragseröffnungsdatum
- Soll-Menge des Auftrags
- Ist-Menge ohne festgestellten Ausschuss
- definierte Rückmeldepunkte
- dem Arbeitsfortschritt entsprechende Rückmeldung
- außerplanmäßig fehlende Bauteile oder Stoffe.
Rz. 50
Weiterhin ist notwendig, dass die Bestandszuverlässigkeit des PPS-EDV-Systems durch interne Kontrollen sichergestellt und die systemgestützte Werkstattinventur dokumentiert wird, so dass ein sachverständiger Dritter innerhalb angemessener Zeit einen vollständigen Einblick in das angewandte Verfahren, das interne Kontrollsystem und über die Art, Mengen und Beschaffenheit der mit Hilfe des Systems erfassten Bestände gewinnen kann.
Rz. 51
Die Werkstattinventur kann auch durch den Einsatz des Stichprobenverfahrens "Sequentialtest" vereinfacht bzw. beschleunigt werden, um den Fertigungsausfall gering zu halten.
4.1.3.3 Inventur bei Warenwirtschaftssystemen
Rz. 52
Die im Handel eingesetzten Warenwirtschaftssysteme, die Warenein- und –ausgänge sowie eine jederzeitige (Soll-)Bestandsabfrage nach Artikeln, Datum, Menge und Wert ermöglichen, können unter Umständen zur Inventurerleichterung verwendet werden. Die Voraussetzungen ergeben sich durch Anwendung der allgemeinen Inventurgrundsätze und wurden insbesondere in einer Publikation der AWV präzisiert.
Rz. 53
Die vom Warenwirtschaftssystem kontinuierlich ermittelten Artikelbestände können für die Inventur Verwendung finden, wenn ...