Gewöhnlich wird in der Praxis mit dem Begriff der Investition allzu schnell der Erwerb von Sachanlagen assoziiert. Diese eingeschränkte Sicht wird der Realität in den Unternehmen längst nicht mehr gerecht. Gemäß IFRS-Verständnis, dem häufig führenden Rechnungslegungsansatz in Unternehmen, ist ein in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehender Vermögenswert ("Asset") allgemein dann zu bilanzieren, wenn er das Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit ist und wahrscheinlich zu einem relevanten künftigen wirtschaftlichen Nutzenzufluss für das Unternehmen führen wird. Diesem Ansatz folgend ergeben sich aktivierungsfähige Sachverhalte in einem größeren Spektrum und in Unternehmensbereichen, in denen Investitionen bisher keine bedeutende Rolle gespielt haben.
Im Zuge der Anwendung von IFRS-Rechnungslegungsvorschriften im Lauf der vergangenen 20 Jahre sind daher viele Unternehmen, z. B. im Automobilsektor oder anderen entwicklungsintensiven Branchen, dazu übergegangen, ihre Entwicklungsaufwendungen zumindest teilweise zu aktivieren. Mittlerweile ist eine solche Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen auch nach HGB-Rechnungslegungsvorschriften möglich. Im IT-Bereich werden neben Soft- und Hardwareanschaffungen, die schon nach klassischer HGB-Sichtweise zu aktivieren waren, im Verlauf großer Softwareeinführungsprojekte bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände geschaffen, die es ermöglichen, einen Teil der Implementierungsaufwände zu aktivieren.
Die IFRS-Rechnungslegung gestattet es auch, Arbeiten an Vermögenswerten oder Erweiterungen zum Teil zu aktivieren. Ist eine Erweiterung bspw. aus umweltschutztechnischen Gründen notwendig und die eigentliche Sachanlage ansonsten nicht nutzbar, kann diese aktiviert werden. Eine Aktivierung erfolgt ebenfalls bei Ersatz von Teilen der Sachanlage. Ist eine große Wartung regelmäßig durchzuführen, um die Betriebsfähigkeit der Sachanlage zu gewährleisten, ist diese ebenfalls aktivierbar. Unwesentliche Reparaturen und gewöhnliche Instandhaltungsmaßnahmen hingegen sind nicht aktivierbar und werden als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst. Gerade in den Prozessindustrien ergeben sich daher im Zuge einer genauen Prüfung und Anwendung der IFRS-Bilanzierungsvorschriften in den Bereichen Wartung und Instandhaltung nicht unwesentliche Investitionsaufwände, die im Investitionscontrolling zu erfassen sind.
Viele Unternehmen sehen sich mit der Prüfung von Aktivierungssachverhalten in bisher nicht betrachteten Bereichen konfrontiert. Wenn z. B. ein Automobilhersteller Connected Car-Dienstleistungen im Aftermarket-Bereich anbietet, so sind die dahinterstehenden Software- und Systementwicklungen i. d. R. aktivierungspflichtig. Auf diese Weise ergeben sich Fahrzeuginvestitionen im Vertriebsbereich, welche bisher häufig ausschließlich im Entwicklungsressort des Unternehmens anfielen.
In Unternehmen, welche ihre Investitionen durch Leasing finanzieren, hat die Neugestaltung von IFRS 16 weitreichende Auswirkungen. Mit IFRS 16 muss die Mehrzahl der Verträge des "operativen Leasing" bilanziert werden, dies betrifft u. a. Miet- und Pachtverträge. Operative Abläufe sowie der Betrachtungsumfang im Investitionscontrolling müssen entsprechend den neuen Anforderungen des Leasingstandards angepasst werden.
Ein modernes Investitionscontrolling muss der Ausdehnung und Erweiterung des Investitionsbegriffs im Laufe der vergangenen beide Jahrzehnte Rechnung tragen. Das Investitionscontrolling hat die Aufgabe, relevante aktivierungspflichtige Umfänge aus allen Unternehmensbereichen zusammenzuführen in der Investitionsplanungsphase genauso wie während der laufenden Realisierungsphase einer Investition.