Leitsatz
Zur Vermietung bestimmte Wohnungen können auch dann fremden Wohnzwecken dienen, wenn sie während des Bindungszeitraums mehr als ein Jahr leer stehen.
Normenkette
§ 3 InvZulG 1999
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, erwarb im März 1999 ein Mehrfamilienhausgrundstück in Potsdam und führte daran Modernisierungsarbeiten durch, die im Juli 2002 abgeschlossen wurden. Das FA versagte die beantragte Zulage für Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden von 15 %, soweit sie auf drei Wohnungen entfiel, die seit dem Abschluss der Arbeiten längere Zeit leer standen. Die beiden Dachgeschosswohnungen vermietete die Klägerin selbst seit Oktober 2004 und Juli 2005 langfristig zu fremden Wohnzwecken. Die Wohnung im 3. OG links wurde von ihr 2003 veräußert und von der Käuferin seit August 2003 zu Wohnzwecken vermietet. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.9.2007, 13 K 2430/04 B, Haufe-Index 2133082, EFG 2009, 962).
Entscheidung
Aufgrund seiner Rechtsprechungsänderung gab der BFH der Klage statt und gewährte die Zulage sowohl für die nach dem Leerstand von der Klägerin vermieteten als auch für die veräußerte Wohnung.
Hinweis
1. Mit dem InvZulG 1999 wurde die Förderung von Investitionen in Gebäude im Fördergebiet von Sonder-AfA auf Investitionszulagen umgestellt. Die Zulagen beschränkten sich auf Mietwohngebäude (§ 3) und selbst genutzte Wohnungen (§ 4 InvZulG 1999). Mit Inkrafttreten des InvZulG 2005 ist die Förderung ausgelaufen, seitdem sind nur noch betriebliche Investitionen in abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begünstigt.
2.§ 3 Abs. 1 InvZulG 1999 begünstigte u.a. nachträgliche Herstellungs- oder Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, soweit diese mindestens fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahmen der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Zulagenrechtlich erforderte das Tatbestandsmerkmal "zu etwas dienen" nach bisheriger Rechtsprechung eine tatsächliche Nutzung des Wirtschaftsguts zu bestimmten Zwecken (BFH, Urteile vom 29.4.1977, III R 154/73 – Computeranlage – Haufe-Index 72454, BStBl II 1977, 790, vom 23.3.1990, III R 33/87 – nur teilweise genutzte Halle – Haufe-Index 63302, BStBl II 1990, 726). Diese Rechtsprechung hat der BFH nun aufgegeben.
3. Aus dem EStG übernommene Begriffe sind im Investitionszulagenrecht grundsätzlich wie im ESt-Recht auszulegen. Das Tatbestandsmerkmal "dienen" wird im EStG vielfach verwendet, z.B. in § 7 Abs. 4, § 7d, § 7f, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG. Im Sinne dieser Vorschriften dient ein Wirtschaftsgut regelmäßig bereits dadurch einem bestimmten Zweck, dass es entsprechend gewidmet und dazu bereitgehalten wird. Eine zur dauernden Vermietung bestimmte und dafür verfügbar gehaltene Wohnung dient daher i.S.d. § 7c Abs. 4 EStG auch während eines vorübergehenden Leerstands fremden Wohnzwecken (BFH, Urteil vom 21.8.2001, IX R 52/98, BFH/NV 2002, 325).
4. Anhaltspunkte für eine zeitliche Begrenzung des Leerstands lassen sich § 3 Abs. 1 InvZulG nicht entnehmen, sodass die Förderung grundsätzlich auch bei mehrjährigem Leerstand beansprucht werden kann. Ein lange andauernder Leerstand kann aber Zweifel daran begründen, ob das Gebäude wirklich zu fremden Wohnzwecken überlassen werden soll.
5.§ 3 Abs. 1 InvZulG setzt – anders als z.B. § 7k Abs. 2 Nr. 4 EStG ("dem Steuerpflichtigen zu fremden Wohnzwecken dienen") – nicht voraus, dass der Investor das Gebäude bzw. den Gebäudeteil selbst zu Wohnzwecken überlässt. Während AfA für Eigentumswohnungen des Umlaufvermögens ausscheidet, ist die Zulage auch dann zu gewähren, wenn eine Eigentumswohnung vom Investor veräußert und dann vom Käufer zu Wohnzwecken vermietet wird.
6. Im Streitfall hatte das FG festgestellt, dass die Klägerin die von ihr modernisierten Wohnungen "primär" selbst vermieten wollte. Der BFH hat mithin nicht entschieden, bis zu welcher Dauer ein Leerstand unschädlich wäre, wenn der Investor vornehmlich oder ausschließlich daran interessiert ist, an Anleger zu veräußern.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.7.2011 – III R 91/08