Damit, dass auf Kirchensteuern jedenfalls nach aktueller Rechtslage in allen Bundesländern unstrittig § 370 AO keine Anwendung findet, greift auch die längere Festsetzungsverjährungsvorschrift nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO nicht (Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 158; Giloy/König, Kirchensteuerrecht in der Praxis, 1993, S. 143). Im Haftungsverfahren greifen zudem §§ 71, 191 Abs. 3 S. 2 und Abs. 5 S. 2 AO nicht (Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 158). Ebenso greift die Durchbrechung der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 S. 1 AO nicht (Rüsken in Klein, AO Komm., 15. Aufl. 2020, § 173 Rz. 144) und Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO fallen nicht an (Rolletschke/Roth, Die Selbstanzeige, 2015, Rz. 456; Hermes in Zugmaier/Nöcker, AO Komm., § 235 Rz. 8 [Aug. 2020]); Nr. 1.2 AEAO zu § 235; a.A. Rüsken in Klein, AO Komm., 15. Aufl. 2020, § 235 Rz. 5a).

Hinzuweisen ist darauf, dass § 169 Abs. 2 S. 2 AO nicht bei einem Betrug greifen würde (BFH v. 12.1.2016 – IX R 20/15, BStBl. II 2017, 21; BFH v. 20.2.2001 – IX R 94/97, BStBl. II 2001, 415; Rüsken in Klein, AO Komm., 15. Aufl. 2020, § 169 Rz. 26). Selbiges gilt im Hinblick auf § 71 AO (BFH v. 19.12.2013 – III R 25/10, BStBl. II 2015, 119), respektive § 173 Abs. 2 S. 1 AO (Rüsken in Klein, AO Komm., 15. Aufl. 2020, § 173 Rz. 145) bzw. die anderen benannten Vorschriften, die an eine Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 AO anknüpfen, nicht zur Anwendung gelangen.

Die hier vertreten Meinung ist indes nicht unbestritten, teilweise wird demgegenüber vertreten, dass §§ 169 Abs. 2 S. 2, 191 Abs. 3 AO Anwendung fänden, weil die Kirchensteuergesetze nur die Straf- und Bußgeldfolgen, jedoch nicht die weiteren Folgen aus einer Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung negieren würden. Andernfalls liefe dies auf eine Privilegierung von Personen hinaus, die beispielsweise die Einkommensteuer als Maßstabsteuer für die Kirchensteuer hinterzogen hätten, wenn die diesbezüglichen steuerlichen Folgen nur für die Maßstabsteuer selbst Geltung hätten (Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 428 f.).

Wiederum andere argumentieren, dass der Einkommensteuerbescheid bei Kirchensteuer auf das Einkommen Grundlagenbescheid für die Kirchensteuerfestsetzung wäre, so dass die verlängerte Festsetzungsverjährung auf diesem Wege Anwendung fände (Strahl, Selbstanzeige, 3. Aufl. 2011, Rz. 47). M.E. bedarf es dann aber einer entsprechenden ausdrücklichen Klarstellung in den Kirchensteuergesetzen, andernfalls lässt sich diese Meinung auch kaum in Einklang mit der dargelegten Rspr. des BFH bringen, dass die verlängerte Festsetzungsverjährung eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO bzw. eine leichtfertige Steuerverkürzung gem. § 378 AO erfordern.

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