Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
Rz. 108g
IFRS 16.18 definiert den Leasingzeitraum als die nicht kündbare Grundmietzeit und den Zeitraum, für den das Leasingverhältnis verlängert werden kann, sofern die Ausübung der Option durch den Leasingnehmer hinreichend sicher ist, sowie den Zeitraum, für den eine Option zur vorzeitigen Beendigung des Leasingverhältnisses besteht, sofern es hinreichend sicher ist, dass der Leasingnehmer diese Option nicht ausüben wird. In Abhängigkeit der Bewertung der im Leasingvertrag enthaltenen Optionen kann ein längerer oder ein kürzerer Leasingzeitraum dem Leasingverhältnis zugrunde gelegt werden. Dabei führt die Annahme eines kürzeren Leasingzeitraums beim Leasingnehmer stets zu einem geringeren Fremdkapitalausweis, einer geringeren Bilanzsumme und einem geringeren Verschuldungsgrad.
Diese Ermessensspielräume bestehen nicht nur bei erstmaliger Abbildung des Leasingverhältnisses, sondern auch im Zusammenhang mit später auftretenden besonderen Ereignissen, die zu einer Neueinschätzung von Optionen und im Zuge dessen zu einer revidierten Schätzung des Leasingzeitraums und damit einer Neubewertung von Leasingverbindlichkeiten und hiermit verbunden auch der RoU-Assets führen.
Rz. 108h
Weitere Ermessensspielräume bestehen im Zusammenhang mit der Klassifizierung von Sale-and-Leaseback-Transaktionen nach IFRS 16. Nach IFRS 16.98 ist bei diesen Transaktionen stets zu prüfen, ob der Transfer des anschließend zurückgeleasten Vermögenswerts die Kriterien für einen Verkauf erfüllt. Hierzu muss der Käufer-Leasinggeber die Kontrolle über den Vermögenswert erhalten. Fehlt es an den Kriterien für ein Verkaufsgeschäft i. S. d. IFRS 15, so wird die Transaktion wie ein Finanzierungsgeschäft dargestellt. Dies bedeutet, dass aufgrund des Transfers des Vermögenswerts beim Verkäufer-Leasingnehmer kein Gewinn oder Verlust aus der Übertragung des Vermögenswerts realisiert werden darf; der Transfer des Vermögenswerts ist vielmehr eher als eine Form der Sicherheitengestellung für den Kredit zu betrachten. Falls der Transfer hingegen als Verkaufsgeschäft eingeordnet wird, dann erfasst der Verkäufer-Leasingnehmer nur in der Höhe einen Gewinn oder Verlust, der sich auf die an den Leasinggeber übertragenen Rechte (zumeist gemessen als beizulegender Zeitwert des übertragenen Vermögenswerts abzüglich des Barwerts der Leasingraten aufgrund der Leaseback-Vereinbarung) bezieht. Das RoU-Asset aus dem Leasingverhältnis für die "zurückbehaltenen" Rechte (Anteil des Barwerts der Leasingraten am beizulegenden Zeitwert) wird in Höhe des anteiligen Buchwerts vor Verkauf des Vermögenswerts angesetzt.
Sofern der Bilanzierende beispielsweise einen Verlustausweis im Rahmen einer Sale-and-Leaseback-Transaktion vermeiden will, so bietet sich als Gestaltungsinstrument die Vereinbarung einer Rückkaufvereinbarung zugunsten des Verkäufer-Leasingnehmers an. Bei Vorliegen solcher Rückkaufvereinbarungen zugunsten des Verkäufer-Leasingnehmers erlangt der Käufer-Leasinggeber im Regelfall keine Kontrolle; dies soll selbst dann gelten, wenn die Ausübung der Rückkaufvereinbarung aufgrund der mangelnden Attraktivität unwahrscheinlich sein und/oder der Käufer-Leasinggeber den physischen Besitz über den Vermögenswert erlangen sollte, da der Käufer-Leasinggeber aufgrund der bestehenden Option in seinen Nutzungsrechten beschränkt ist.
Strebt hingegen der Bilanzierende einen möglichst hohen Gewinnausweis aus einer Sale-and-Leaseback-Transaktion an, welche die Kriterien für ein Verkaufsgeschäft erfüllt (insbesondere kein Vorliegen von Rückkaufoptionen!), so wird er die im Leasingvertrag ggf. enthaltenen Verlängerungsoptionen bewusst sehr vorsichtig schätzen, um zu einem möglichst niedrigen Leasingzeitraum zu gelangen, woraus ein geringer Barwert der Leasingzahlungen und mithin ein vergleichsweise niedrig zurückbehaltener Anteil an Rechten am übertragenen Vermögenswert und ein maximaler Gewinnausweis folgt.