Rz. 2
Die Vorschrift entspricht § 47 VwVfG und § 28 AO. Sie hat wie §§ 41 und 42 den Zweck, einen an sich fehlerhaften Verwaltungsakt (VA) zu erhalten und im Ergebnis zur Wirksamkeit zu verhelfen. Sie gehört damit zu den Vorschriften über die Heilung von Rechtsfehlern und reduziert den Vertrauensschutz des Betroffenen auf das Ergebnis des Verwaltungshandelns, das in dem Verfügungssatz zum Ausdruck kommt. Größere Bedeutung hat die Vorschrift in der Verwaltungspraxis bisher nicht erlangt. Umdeutungen kommen in Betracht in den Fällen verfahrensrechtlicher Entscheidungen (Änderung eines Bescheides statt Rücknahme; Stundung anstelle von Aussetzung der Vollziehung). In der Rechtsprechung hat die Vorschrift dadurch erhebliche Bedeutung, dass die Gerichte sie als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens heranziehen, um ihrerseits VA umdeuten zu können (zur Zulässigkeit der gerichtlichen Umdeutung vgl. BSG, Urteil v. 30.6.1997, 8 RKn 14/95, BSGE 80 S. 267; Bay. LSG, Urteil v. 22.4.2010, L 14 R 1011/08).
Besonderheiten bestehen im Recht der Arbeitsförderung, weil hier durch § 330 Abs. 2 SGB III geregelt wird, dass der Arbeitsverwaltung auch bei der Rücknahme eines rechtswidrigen VA für die Vergangenheit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 kein Ermessen zusteht. Deshalb kann ein fehlerhaft auf § 48 gestützter VA im Recht der Arbeitsförderung in einen VA nach § 45 umgedeutet werden. Dies gilt aber nicht für Kindergeld nach dem BKGG, weil § 330 SGB III hier nicht anwendbar ist (SG Cottbus, Urteil v. 16.12.2013, S 9 BK 16/10). Die zweckwidrige Verwendung bewilligter Fördergelder berührt nicht die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides, so dass eine Umdeutung einer Widerrufsentscheidung in eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 nicht möglich ist (Sächs. LSG, Urteil v. 4.12.2014, L 3 AL 154/11). Einer Umdeutung bedarf es allerdings dann nicht, wenn der Austausch der Ermächtigungsgrundlage (§ 45 statt § 48) nur im Rahmen der Begründung stattfindet, ohne dass der Verfügungssatz geändert wird (BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 11 AL 85/99 R, BSGE 87 S. 8 = SozR 3-4100 § 152 Nr. 9; BSG, Urteil v. 21.3.2002, B 7 AL 44/01 R), wobei sich in diesem Zusammenhang häufig auch die Formel findet, dass der VA nicht "in seinem Regelungsumfang" oder seinem "Wesensgehalt" verändert bzw. die Rechtswahrnehmung des Betroffenen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert werden darf (vgl. BSG, Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 21/10 R, und Urteil v. 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R).
Einer Umdeutung bedarf es auch dann nicht, wenn ein zunächst auf § 47 gestützter VA später auf § 48 gestützt wird, soweit der Verfügungssatz nicht geändert wird, denn auch dann liegt lediglich ein Austausch der Begründung vor, der den Aufhebungsbescheid nicht in seinem Wesen verändert (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.10.2005, L 28 AL 85/03).
Rz. 3
Die Vorschrift schließt die Umdeutung eines VA in einen öffentlich-rechtlichen Vertrag aus. Die Umdeutung einer auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichteten Behördenerklärung in einen einseitigen VA zur Herbeiführung einer auch als VA möglichen Rechtsfolge erscheint zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dürfte jedoch an der fehlenden subjektiven Regelungsabsicht scheitern.
Rz. 3a
Kein Fall der Umdeutung liegt vor, wenn eine zusätzliche Verfügung erforderlich wäre, um den angestrebten Zweck zu erreichen (BSG, Urteil v. 28.10.2008, B 8 SO 33/07 R). Liegt also nur die Ablehnung einer Leistung vor und wäre stattdessen – zusätzlich – eine Rücknahme nach § 45 oder eine Aufhebung nach § 48 erforderlich, dürfte eine Umdeutung ausscheiden (so wohl auch BSG, Urteil v. 14.9.2010, B 7 AL 21/09 R, Rz. 22; offengelassen in BSG, SozR 1300 § 50 Nr. 15 S. 26 f.). Von § 43 wird daher nicht die Konstellation erfasst, dass ein ergangener Verwaltungsakt aufrecht erhalten bleibt und ihm nur ein legitimierender Verwaltungsakt hinzugefügt werden soll (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.2.2013, L 6 VJ 3646/10, und Urteil v. 20.6.2013, L 6 VK 3112/10).