Rz. 6
Zum autonomen Recht gehören alle Vorschriften, die der Versicherungsträger im Rahmen der Gesetze mit Wirkung für und gegen Dritte erlässt. Kernstück dieser legislativen Tätigkeit, aber anders als im Kommunalrecht nicht ausschließlicher Bereich, ist die Aufstellung der in Abs. 1 ausdrücklich genannten Satzung. Sie ist gleichsam die Verfassung des Versicherungsträgers und enthält alle grundlegenden rechtlichen Bestimmungen, darunter auch solche über die Verteilung der Aufgaben und Befugnisse zwischen den einzelnen Organen (z. B. § 81 Abs. 1 SGB V für die Kassenärztlichen Vereinigungen). Auch jede Satzungsänderung muss die Vertreterversammlung beschließen. Dabei ist die Mitwirkung anderer Organe und Stellen an der Rechtssetzung nicht ausgeschlossen. So wird im Regelfall der Vorstand bzw. der Bundesvorstand bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Satzungsbeschlüsse vorbereiten. Der Satzungsbeschluss erlangt nicht sofortige Rechtswirkung nach außen, da er der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Bei der Errichtung von Betriebs- und Innungskrankenkassen ist die der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegende Satzung vom Arbeitgeber bzw. der Handwerksinnung zu erstellen (§ 148 Abs. 3 Satz 1, § 158 Abs. 3 SGB V). Weiterhin ist es erforderlich, autonomes Recht zu veröffentlichen (§ 34 Abs. 2).
Rz. 7
Die Befugnis (Ermächtigung) zum Erlass sonstigen autonomen Rechts wird dem Versicherungsträger durch die Regelungen im SGB gewährt.
Als sonstiges von der Vertreterversammlung zu beschließendes autonomes Recht sind beispielhaft zu erwähnen: In der Unfallversicherung die Unfallverhütungsvorschriften (§ 15 SGB VII), der Gefahrtarif (§ 157 SGB VII; BSG, Urteil v. 11.4.2013, B 2 U 4 /12 R) und die Dienstordnung (§§ 144 ff. SGB VII), die nicht wie in der Krankenversicherung vom Vorstand beschlossen wird und lediglich der Zustimmung durch die Vertreterversammlung bedarf (§ 355 Abs. 2 RVO), sondern von der Vertreterversammlung erlassen wird, sowie Richtlinien, soweit sie Außenwirkung haben (z. B. Richtlinien der Krankenkassen über Zahnersatz, Rehabilitationsrichtlinien der Rentenversicherungsträger). Die Rechtsnatur der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (§ 240 SGB V) ist hingegen umstritten. Überwiegend wird angenommen, dass es sich um Verwaltungsvorschriften handelt. Die gesetzliche Zuweisung der genannten legislativen Aufgaben an die Vertreterversammlung schließt nicht aus, dass auch der Vorstand beratend dabei mitwirken kann (BT-Drs. 7/4122 S. 35).