0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. II § 29 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1469) mit Wirkung zum 1.7.1977 eingefügt und durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) v. 20.12.1998 (BGBl. I S. 2477) mit Wirkung zum 1.1.1989 sowie durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) geändert. § 36a wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze v. 12.6.2007 (BGBl. I S. 1034) mit Wirkung zum 15.6.2007 erneut geändert. Die Vorschrift gilt seit dem 19.11.2009 i. d. F. der Bekanntmachung v. 12.11.2009 (BGBl. I S. 3710). Durch das Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz – LSV-NOG) v. 12.4.2012 (BGBl. S. 579) ist Abs. 1 mit Wirkung zum 1.1.2018 ergänzt worden.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Der Gesetzgeber hat durch die Regelung in § 36a bestimmt, dass bestimmte Amtshandlungen nicht durch die Organe des jeweiligen Versicherungsträgers selbst vorgenommen werden müssen, sondern es dem Versicherungsträger freigestellt wird, durch Beschluss des für die Satzungsgebung zuständigen Organs (Vertreterversammlung, Verwaltungsrat bzw. Bundesvertreterversammlung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund) eine Übertragung auf die besonderen Ausschüsse vorzunehmen. Dies gilt für den Erlass von Widerspruchsbescheiden für alle Versicherungsträger sowie für den Erlass von bestimmten enumerativ genannten primären Verwaltungsakten in der Unfallversicherung. Für den Bereich der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau sind fachbezogene besondere Ausschüsse zu bilden. Die besonderen Ausschüsse sind selber keine Organe der Versicherungsträger, haben aber organähnlichen Charakter. Der Vorstand hat in analoger Anwendung von § 35 Abs. 2 Richtlinien für die Arbeit der besonderen Ausschüsse zu erlassen. Abs. 2 räumt dem satzungsgebenden Organ der Versicherungsträger weiten Spielraum hinsichtlich der Zusammensetzung der besonderen Ausschüsse ein. Für den Bereich der Künstlersozialversicherung wird im Abs. 2 Satz 3 die Zusammensetzung der besonderen Ausschüsse bestimmt. Jeder Ausschuss muss sich eine Geschäftsordnung geben.
Die Rechtsstellung der Ausschussmitglieder wird in Abs. 3 durch Verweisung auf die Vorschriften für die Selbstverwaltungsorgane bestimmt.
2 Rechtspraxis
2.1 Widerspruchsbescheide
Rz. 2
Vor Klageerhebung ist die Recht- und Zweckmäßigkeit der Entscheidung des Versicherungsträgers in einem Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nachzuprüfen (§ 78 SGG). Über Widersprüche in Angelegenheiten der Sozialversicherung entscheidet gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 2 SGG die von der Vertreterversammlung bzw. dem Verwaltungsrat bestimmte Stelle. Dabei kann die Vertreterversammlung bzw. der Verwaltungsrat gemäß § 36a einem besonderen Ausschuss (Widerspruchsausschuss) diese Aufgabe übertragen.
Rz. 3
Die Bestellung eines Widerspruchsausschusses hat durch Satzungsbeschluss zu erfolgen, damit insoweit die rechtsstaatliche Kontrolle dieses Ausschusses durch ein Organ des Versicherungsträgers gewährleistet wird. Der Widerspruchsausschuss erhält dadurch keine Organeigenschaft (Peters, SGB IV, § 36a Rz. 3; Hauck/Noftz, SGB IV, § 36a Rz. 6). Insoweit ergänzt die Vorschrift die gesetzlichen Regelungen über die Geschäftsführung und Vertretung des Versicherungsträgers (§§ 31 ff.) und ermächtigt die besonderen Ausschüsse, neben den Organen für den Versicherungsträger zu handeln.
Rz. 4
Durch die Anwendbarkeit von § 35 Abs. 2 (§ 36a Abs. 1 Satz 2) erhält der Vorstand gegenüber den besonderen Ausschüssen eine Richtlinienkompetenz, die nicht beschränkt ist. Dadurch besteht für den Vorstand die Möglichkeit, auf die Tätigkeit der besonderen Ausschüsse Einfluss zu nehmen. Davon unberührt bleibt das Recht des Vorstandsvorsitzenden, gemäß § 38 Entscheidungen der besonderen Ausschüsse zu beanstanden und ggf. die Aufsichtsbehörde zu unterrichten. Soweit Versicherungsträger bei Einsprüchen gegen ihre Bußgeldbescheide als "Verwaltungsbehörde i. S. v. § 36 Abs. 1 OWiG" handeln, ist es möglich, einen Einspruchsausschuss gemäß § 36a einzurichten. Dies ist z. B. in § 70 der Satzung der Deutschen Rentenversicherung Bund geschehen.
2.2 Primärbescheide
Rz. 5
Mit dem Inkrafttreten des SGB IV waren Bedenken entstanden, ob die sog. Rentenausschüsse in der gesetzlichen Unfallversicherung noch ausreichend gesetzlich legitimiert sind. § 36a beseitigt diese Zweifel, indem er ausdrücklich derartige Ausschüsse erlaubt. Durch das UVEG v. 7.8.1996 hat der Gesetzgeber diese Entscheidung erneut bestätigt und gleichzeitig die Kompetenzen der sog. Rentenausschüsse aktualisiert und konkretisiert.
2.3 Spartenausschüsse
Rz. 6
Mit der Errichtung von fachbezogenen besonderen Ausschüssen wird der Vielseitigkeit der Sozialversicherung der Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Rechnung getragen. Die Zusammensetzung der Ausschüsse bestimmt die Selbstverwaltung. Der Aufgabenkreis wird ebenfalls durch die Selbstverwaltung bestimmt; dazu gehört auch die Ausgestaltung von Vorschlagsrechten. Die Befugnisse, weitere besondere Au...